Musik ist mein Leben – ein Gespräch mit KS Brigitte Fassbaender

Xl_brigitte_fassbaender__c__marc_gilsdorf__002_ © Marc Gilsdorf

Musik ist mein Leben – ein Gespräch mit KS Brigitte Fassbaender

Brigitte Fassbaender hat als Sängerin, Regisseurin, Intendantin sowie Festspielleiterin eine beispiellose berufliche Karriere gemacht. Mit 21 Jahren debütierte sie an der Bayerischen Staatsoper. Bald war sie auf den Bühnen der Opernhäuser weltweit zu Hause. Seit 1990 ist sie als Regisseurin tätig und hat bereits über90 Opern inszeniert. Seit 2021 erarbeitet sie im Passionsspielhaus in Erl eine Neuinszenierung von Richard Wagner „Der Ring des Nibelungen“ für die Tiroler Festspiele. Nach Rheingold und Walküre finden im Juli diesen Jahres die Premieren von Siegfried und Götterdämmerung statt.

Helmut Pitsch traf Frau Fassbaender zu einem Gespräch nach einer Orchesterprobe.

HP: Liebe Frau KS Fassbaender, Sie haben als Sängerin, Regisseurin, Intendantin und Festspielleiterin reüssiert. In welchem Beruf haben Sie sich besonders wohlgefühlt, welcher macht/e am meisten Spaß?

BF: Ich möchte nicht von Spaß sprechen, alle meine Tätigkeiten waren harte Arbeit. Wenn sie gelang, war sie  Freude und Erfüllung. SIngen bedeutet für mich Urkraft. Musik ist mein Leben, auch in der Regie.

Eine Intendanz ist eine Leitungsfunktion. Das war für mich ein  riesiger Lernprozess. Ohne die Erfahrung der vorherigen Operndirektion  in Braunschweig hätte ich eine Intendanz nie gewagt. Man übernimmt eine enorme Verantwortung und muss sich immer neu auf Menschen einlassen. Es ist der Intendant, der den Kopf für alles hinhalten muss. Eine erfolgreiche Intendanz ist aber vor allem gutes Teamwork.

 

HP: Ist Brigitte Fassbaender, ein Multitalent, eine Ausnahmebegabung oder steckt harte Arbeit dahinter? Wie würden Sie die Wurzeln Ihres Erfolges beschreiben?

BF: Die Aufgaben kamen immer wieder als Herausforderung auf mich zu. Ich habe sie angenommen und bin an und mit ihnen gewachsen

 

HP: Opern von Wagner und Strauss prägten ihre Rollen als Sängerin, gilt das auch für die Regie bzw anderen Ihrer Berufsbilder?

BF: Ich habe auch viel Verdi und Mozart gesungen, hab in keiner Schublade gesteckt. Auch in meiner Regietätigkeit habe ich nicht nur Wagner und Strauss gemacht, sondern zB. genauso gern Rossini oder Britten und ich lerne immer noch dazu. Es ist richtig, dass mir die Domäne Strauss sehr vertraut ist. Wagner dagegen ist ein Revolutionär, hat die Nummernoper verlassen und ist neue Wege gegangen, auch als eigener Librettist mit seiner eigenen Sprache.  Wagner ist monumental.

Strauss war von Wagner beeinflusst, wie fast jeder Komponist nach Wagner. Aber er hat zB.   wunderbare Komödien für das Musiktheater geschrieben in einem ganz anderen Erzählstil. Auch er liebte ein groß besetztes Orchester.  

Wagners musikalische Ausdrucksweise und die Anforderungen an die Sänger waren zu seiner Zeit vollkommen ungewohnt. Das, was er von der Bühne erwartet, kann man wohl nur in Hollywood erreichen.  Eine Herausforderung für jede Regie sind die Übergänge, wo nicht gesungen wird, aber musikalisch viel passiert. Das muss erfüllt werden, die Anforderung an die Regie sind faszinierend.  

 

HP: Was bedeutet für Sie, in Erl Ihre erste Ringinszenierung zu gestalten? War es ein Wunsch?

BF: Ein Wunsch nicht unbedingt – vielleicht ein geheimer. Es gab bereits vor Erl eine Anfrage aus London, die ist nichts geworden, aber einen Ansatz hatte ich mir erarbeitet.  Nun bin ich glücklich, dass ich mich dieser monumentalen Aufgabe doch noch stellen darf und kann.

 

HP: Gerade der Ring als zentrales Opernwerk hat sehr unterschiedliche Inszenierungen und Deutungen erlebt. Worum geht es für Sie in diesem Werk, wollen Sie eine Botschaft senden? Welche Aussage hat das Ende für Sie?

BF: Es gibt nichts, was im Ring nicht schon versucht worden wäre. Inszenatorisch scheint er mir fast ausgeschöpft. Jede Idee, die man hat, gab es vorher schon.

Botschaft? Ich möchte diesen unendlichen Kosmos „Ring“ so klar, spannend und nachvollziehbar erzählen, wie möglich. Ohne Mätzchen und Ballast. Das gewünschte Ende Wagners ist nicht umsetzbar. Der Schluss ist offen, ist für jeden aus  persönlicher Welt- Sicht gestaltbar. Die logische Folge, die Fortsetzung ist eigentlich das Rheingold. Es geht alles wieder von vorne los...

 

HP: Welcher Charakter liegt Ihnen besonders am Herzen?

BF: Alle Personen, Figuren sind unglaublich intensiv geschildert. Auch die „ Bösen“  sind menschlich, frustriert und verzweifelt. Jedes Stück hat seine zentrale Figur, in Rheingold ist es  Loge und natürlich Wotan. In Walküre Sieglinde und Siegmund, aber auch Hunding ist vielschichtig. Dann Siegfried, der ist kein naiver Trottel, er ist ein Hoffnungsträger, ein  intuitiver, reiner Mensch. Erzogen zur Kampfmaschine. Wotan und Brünnhilde sind das Zentrum. In der Götterdämmerung kommt dann noch Hagen als grandiose Verkörperung des Negativen dazu! Und nicht zu vergessen Mime und Alberich, die durch das gesamte Geschehen gehen, vom Anfang bis zum bitteren Ende.

Der Ring ist ein seelischer Kriminalroman, ein monströses emotionales Geschehen. Es ist so wichtig, als Regisseur den Text genau zu lesen. Die Textsprache ist kompliziert, aber genauso wichtig, wie die Musik.

 

HP: Welcher Abend hat in der Vorbereitung besonders Schwierigkeiten gemacht?

BF: Zuerst habe ich Siegfried als schwierig erwartet, aber im Nachhinein ist es die Götterdämmerung. Sie ist das brutalste, aufwendigste Geschehen. Denken Sie an den Trauermarsch - was macht man da. Nicht nur ein Held, nein eine Utopie, eine Hoffnung wird zu Grabe getragen, das ist wichtig. Er ist so missbraucht worden im 3. Reich zur Heldenverehrung. Die traurigste erschütterndste Erfindung so abgegriffen.

 

HP: Inwieweit inszeniert die Sängerin?

BF: Ich weiß, dass die Sänger Zeit zur Regeneration brauchen. Ich  achte auf  möglichste Schonung bei diesen Anforderungen, gehe ökonomisch bei den Proben vor.  Aber ich fordere 1000prozentigen Einsatz in der Identifikation mit dem Charakter und schauspielerisch. Das ist genauso wichtig wie der Gesang. Ich lasse sehr viel Eigenständigkeit in der Vorgabe, lass mir von den Sängern sehr viel aus eigener Phantasie anbieten, es ist eine gegenseitige Inspiration Intuition und Intention.

 

HP: Wie stehen Sie zur Diskussion um das Regietheater?

BF: Regietheater ist für mich als erstes eine Begriffsdefinition. Es geht für mich nicht darum, das Stück neu zu erfinden, obwohl ich nichts dagegen habe, wenn andere das tun. Immer wieder ist für mich zu hinterfragen:  Wie können wir unser Lebensgefühl und den herrschenden Zeitgeist miteinbringen.  Oper ist immer auf dem Prüfstand. Wie weit neu erfinden? Vielleicht sollte man ein Stück wiedererkennen. Nicht zerstören und neu zusammensetzen. Es geht um Respekt vor der Genialität. Ich „diene“ einem Stück durch meine Arbeit, möchte, dass das Publikum das Stück versteht. Aber: Oper ist kein Museum. Jeder Versuch einer neuen Sichtweise ist erlaubt und legitim.

Regisseure arbeiten manchmal für Kritiker, Kritiker wollen etwas Neues, sie haben so viel gesehen, die Übermüdung der Kritiker sucht eine Sensation. Deswegen wird immer wieder extrem gearbeitet, übers Ziel hinaus geschossen. Kritiker müssten mal die 8. Vorstellung besuchen...

 

HP: Zurzeit ist die Diskussion um die Zukunft der Oper ein oft gebrauchtes Thema. was braucht Oper, um in Zukunft relevant zu bleiben?

BF: Ich glaube an die Zukunft der Oper. Aber es ist Schwerarbeit, in unserer medienverseuchten Zeit zurück zum Live Erlebnis zu finden, das nichts mit Event zu tun hat. Menschen auch immer wieder  für das kultivierte Erlebnis Oper zu gewinnen.  Oper ist unsere Kultur, wie die gesamten schönen Künste. Der Homo ludens stirbt nicht aus.  Live muss bestehen bleiben.  Ich bedauere den allgemeinen, immensen Bildungsverfall. Wir müssen dem entgegensteuern.

 

HP: Die Ausbildung der Jugend, der Nachwuchs ist Ihnen ein Anliegen. Welche Ratschläge gibt die Pädagogin? Welche Entwicklungen beobachtet die Pädagogin?

BF: Die Pädagogin gibt zumeist nur Meisterkurse. Ich betreue nur wenige Kollegen, ich habe zu wenig Zeit.

Die Begeisterung, das Brennen für den Beruf muss vorhanden sein. Sie müssen ihr Handwerk gründlich lernen, nur dann überlebt man. Ich sehe, dass oft zu früh Zuviel verlangt wird. Man braucht das Handwerkszeug und Selbstdisziplin, Fleiss und viel Glück.

 

HP: Welche Wünsche sind in ihrem erfüllten Leben noch offen?

BF: Offen?  Wünsche? Ja die 100 Inszenierungen möchte ich noch schaffen. Ich habe mir nie viel gewünscht, es ist auf mich zugekommen. Und öfter zu Hause bei meinen Katzen zu sein, noch ein Buch schreiben,  malen. Aber ich muss Inszenieren...

 

HP: Was kommt als nächstes, welche Projekte laufen an?

BF: So viel kann ich sagen - Elektra in Lübeck und die Lustigen Weiber von Windsor am Gärtnerplatz.

 

Vielen Dank für das Gespräch und wir freuen uns auf die Erfüllung Ihrer Wünsche. Viel Erfolg für die anstehenden Premieren.

 

Tiroler Festspiele

Richard Wagner: Siegfried Premiere 8.7. weitere Vorstellungen: 21.7., 27.7.

Richard Wagner: Götterdämmerung Premiere 16.7., weitere Vorstellungen:  23.7., 29.7.

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