Puccinis "Turandot" auf DVD aus Madrid: Magisch ästhetische Bilder

Xl_turandot-madrid-blue_ray-6-20 © Teatro Real

Hoch oben, scheinbar schwebend erscheint die chinesische Prinzessin, symbolhaft in eine blutroter Robe gehüllt, nur auf einem winzigen, flachen Brett stehend und befielt, obwohl das Volk sie um Gnade anfleht, mit einer wegwerfenden, abrupten Handbewegung die Hinrichtung des jungen, schönen persischen Prinzen, der ihre Rätsel nicht lösen konnte: Es ist ein Bild von ungeheurer magischer Schönheit, die uns am Teatro Real in Madrid in Giacomo Puccinis „Turandot“, einer Produktion aus 2018 gezeigt wird und die jetzt brandneu als DVD und Blue-ray Disc bei BelAir classiques Nr. BAC 570 erschienen ist.

Hier in der spanischen Hauptstadt hat Robert Wilson Puccinis letzte Oper erstmalig in Szene gesetzt, eine Koproduktion mit der Canadian Opera Company aus Toronto und dem Nationaltheater in Litauen, wo diese Produktion dann später auch gezeigt wurde.

Auf Robert Wilson muss man sich einlassen, denn er wählt immer dieselben Stilmittel und man weiß, was einen erwartet und so ist es auch hier in Madrid: Typisch für ihn ist das statische Steh- und Schreittheater von reinen Kunstfiguren mit weißen Gesichtern, die kaum interagieren und fast immer frontal zum Publikum stehen. Die Haltung der Armen und die spärlich reduzierten Bewegungen und Gestik wirken unnatürlich und gespreizt und sind völlig durchchoreographiert. Historisiert futuristisch sind die Kostüme (Jacques Reynaud). Streng geometrisch sind die abstrakten Kulissen, meist Vierecke, die immer wieder verschoben werden. Besonders beeindruckend gelingt dem US-amerikanischen Regisseur, der wie immer auch für die gesamte Szenerie und das Lichtdesign verantwortlich zeichnet, die Rätselszene: Bei dieser schwebt der Kaiser auf einer Art Schaukel von einem Lichtschein umgeben am Himmel über dem Volk. Und immer wieder erscheint bei den Fragen ein undurchdringliches Gestrüpp. Die Abläufe sind bis ins letzte Detail ganz präzise durchgeplant. Und seine so entstehenden Bilder sind von ungemeiner Ästhetik und Leuchtkraft, die gefangen nehmen. Es ist eine bildhafte Wirklichkeit, fern von der Realität, die das Rätselhafte und Unbewusste ahnbar macht. Diese gesamte Kombination mit Licht, Farben und Formen erzeugen eine überwältigende Faszination. Man erlebt hier die heute üblich gespielte und vom Puccini Schüler Franco Alfani vollendete Fassung, mit Strichen von Arturo Toscanini.

Bei der Realisierung dieser Opernproduktion ist ihm der Dirigent Nicola Luisotti ein kongenialer Partner. Er leitet das Orchester des Teatro Real mit der gleichen Präzision und Detailfreudigkeit. Da werden alle musikalischen Fassetten, viele Akzente bei den Lyrismen aber auch bei den dramatischen Passagen, ganz besonders bei der Rätselszene mit enormer Sogwirkung herausgearbeitet.

Die Wagner-erprobte Iréne Theorin singt die Hauptrolle kraftvoll und mit allen Höhen. Gregory Kunde ist ein Calaf mit großer Strahlkraft und allen Spitzentönen, ganz besonders bei seinem Hit „Nessun dorma“. Anrührend innig hört man Yolanda Auyanet als die sich völlig aufopfernde Sklavin Liù. Andrea Mastroni ist ein kerniger Timur. Die drei Minister Ping (Joan Martín-Royo), Pang (Vicenç Esteve) und Pong (Juan Antonio Sanabria), die als einzige ständig mit Hüpfen und Zappeln in Bewegung sein dürfen, und Gerardo Bullón (Mandarin) singen alle ohne Tadel. Raúl Giménez als Kaiser Altoum hört man mit reifem Timbre. Wunderbar erlebt man auch den Chor des Teatro Real, besonders einfühlsam beim berühmten „Mondchor“ sowie den Kinderchor.

Dr. Helmut Christian Mayer


 

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