Klagenfurt: Wagners „Walküre“ als hochemotionales, Endzeitdrama

Xl_walk_re-klagenfurt-9-21 © Arnold Pöschl

Es ist ein sehr ambitioniertes Unterfangen des Klagenfurter Stadttheaters, Richard Wagners „Die Walküre aus dem „Ring des Nibelungen“ als Eröffnungspremiere auf die Bühne zu stellen, denn neben einem großbesetzten Orchester braucht es auch hochdramatische Sänger. Allerdings hat der Bayreuther Meister auch auf kleinere Theater Rücksicht genommen und dafür eine reduzierte Orchesterfassung geschaffen. Das Ergebnis des ersten Abends des Endzeitdramas kann sich mehr als Sehen lassen, denn es fasziniert in allen Bereichen.

Kammermusikalisch schlank, durchsichtig, aber wenn angebracht, auch rauschhaft, saftig, aufwühlend und auf Überwältigung setzend:So musiziert das Kärntner Sinfonieorchester unter Nicholas Milton. Der neue Chefdirigent ist ein großer Gewinn für das Haus. Denn er weißauch reiche Nuancen und Farben herauszuarbeiten. Besonders „Wotans Abschied“ gelingt mit betörender Schönheit. Und er lässt immer sängerfreundlich spielen.

Und das Ensemble dankt es ihm mit wahrem Schöngesang, wobei bei fast allen Sängern eine exemplarische Textverständlichkeit festzustellen ist. Allen voran singt Markus Marquardt einen edlen, fein differenzierten Wotan, der auch viel Weichheit zu verströmen vermag. Besonders sein „Abschied“ von seiner geliebten Brünnhilde wird zum Ereignis. Magdalena Anna Hofmann kann als Walküresogar bei Höchst-Dramatik noch schön singen, mit vielen Schattierungen und einer wunderbaren „Todesverkündigung“. Julian Hubbard zeigt als Siegmund beachtliche Kraft und ist zu allen Spitzentönen fähig. Seine langen „Wälse“-Rufe sind imposant. Martina Welschenbach ist eine schön gefärbte, voluminöse Sieglinde mit vielen Schattierungen und intensiver Rollengestaltung. Xenia Vyaznikova spielt eine ungemein präsente Fricka mit kraftvollem Ausdruck. Sie ist allerdings als einzige weniger verständlich und manchmal zu sehr keifend. Gegen sie kann ihr Göttergatte vom Willen her aber rein gar nichts ausrichten. Rafal Pawnuk, nicht nur optisch ein Hüne, sondern auch stimmgewaltig ist mit seinem schwarzen Bass ein Hunding zum Fürchten. Alle Walküren singen ohne Furcht und Tadel.

Ohne sich auf politische oder mythologische Deutungen einzulassen, erzählt Hausherr und Intendant Aron Stiehl die Geschichte inklusive der Gefühle und Beziehungen der Protagonisten in der völlig naturalistischen, teils imposanten Ausstattung (Okarina Peter und Timo Dentler) konventionell aber klar, zeitlos und mit kleinen Andeutungen an unsere Zeit. So steht neben Hundings kleiner hölzernen Almhütte mitten im Wald eine Seilbahnstütze, aus der Siegmund statt aus einer Esche das Schwert Nothung zieht. Der zweite Akt spielt überhaupt im Hochgebirge in einem marmornen Palast von Walhall, in dem es immer wieder hereinschneit, mit herrlichem Ausblick auf die Bergwelt. Fricka kommt mit einer goldenen Seilbahngondel angefahren, die später aus den Rollen kippen wird, wenn Wotan das Ende heraufbeschwört.  Etwas nüchtern findet dann das Finale bei einem stählernen Seilbahnrad der Bergstation statt, wo sich auch der „Feuerzauber“ ereignet. Stiehl gelingt es den ganzen Abend, mit subtiler Personenführung die inneren Gefühle der Protagonisten hervorzukehren. Besonders beim geschwisterlichen Liebespaar wie auch bei Wotans Abschied von seiner Lieblingswalküre werden ergreifende, tiefe zwischenmenschliche Emotionen freigelegt.

Stehende Ovationen und seltsamerweise einige wenige Buhs.

Die Tetralogie von Wagners „Der Ring des Nibelungen“ wird fortgesetzt, so folgen in den nächsten Spielzeiten „Siegfried“, „Götterdämmerung“ und „Das Rheingold“.

Dr. Helmut Christian Mayer

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