Arena di Verona: Carmen und Aida - Zwiespältige Neudeutung und ästhetische Statik

Xl_aida-verona-6-18-3 © Ennevi - Arena di Verona

Weg von einer „geschönten“ Bilder-Buch „Carmen“, vielmehr eine Frau, die für „Freiheit und Gleichberechtigung“ kämpft, das will Hugo de Ana in seiner Neuinszenierung von Georges Bizets „Carmen“ in der Arena di Verona zeigen, was er wortreich im Programmheft erklärt. Deswegen zeigt uns der argentinische Regisseur, der wie immer sein eigener Ausstatter ist, eine sehr realistische aber auch unästhetische Szenerie und verlegt die populäre Oper gleich einmal in die 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts, in die Zeit des spanischen Bürgerkrieges, wobei letzteres nicht unbedingt sinnerhellend ist.

Dass die Ausstattung diesmal derart hässlich und derart mit Holzkisten, alten LKWs und Gerümpel vollgemüllt ist, widerspricht völlig dem bisherigen ästhetischen Empfinden der Arena. Im zweiten Akt kommen noch eine Unmenge von Plakaten und Sesseln, mit denen dann eifrig im Takt geklopft wird, im dritten ein Grenzzaun und Menschen, die an einen Flüchtlingsstrom erinnern, dazu. Im letzten Akt wird die Bühnenmitte zu einer Stierkampfarena.

Ist die Ausstattung eher desillusionierend, so sind die Projektionen, meist von spanischer Architektur, die auf die Steinstufen des römischen Amphitheaters geworfen werden, faszinierend. Mit steigender Vitalität führt Hugo de Ana die Massen bis zum Finale. Speziell die finale Mordszene gerät packend. 

Anna Goryachova ist eine anfänglich zu brave Carmen mit wenig erotischer Ausstrahlung, später spielt und singt sie jugendlich temperamentvoller. Brian Jagde verfügt als Don José über kraftvolle Höhen aber auch über eine gewöhnungsbedürftige Mittellage. Mariangela Sicilia ist eine einfühlsame Micaela. Alexander Vinogradov singt den Escamillo kernig. Gut hört man den Chor und die kleineren Rollen.

Animiert, differenziert und später auch leidenschaftlich erklingt das Orchester der Arena di Verona unter Francesco Ivan Ciampa, dem es jedoch nicht immer gelingt, Bühne und Graben zusammen zu halten.

Sie ist schon beeindruckend, diese gigantische, drehbare und von innen leuchtende Pyramide aus goldenen Lamellen, die den Mittelteil der gewaltigen Bühne der Arena di Verona völlig ausschöpft. Rundherum ist dann noch eine Menge an Skulpturen von ägyptischen Gottheiten und Fabelwesen platziert. Bei der Wiederaufnahme von Giuseppe VerdisAida, die in der Arena bekanntlich jedes Jahr gezeigt wird und Touristenmassen anlockt, aus dem Jahr 2001, schöpft Franco Zeffirelli (Bühne und Inszenierung) wieder aus dem Vollen: Der Altmeister lässt die Menschenmassen in historisierten, prächtigen Gewändern und stimmungsvollem Licht unter totaler Ausnützung der Riesenbühne samt Steinstufen aufmarschieren. In ihrer Üppigkeit und Farbenpracht entsteht eine gewaltige Bilderpracht an der Kitschgrenze, die Seinesgleichen sucht und jedes Jahr aufs Neue das Publikum fasziniert. Den Höhepunkt stellt dabei sicher der Triumphmarsch dar, der alles in den Schatten stellt. Und da scheint das ansonsten statische und ideenlose Steh- und Schreittheater niemanden zu stören.  

Als Titelheldin besticht Anna Pirozzi mit dramatischer Attacke aber auch empfindsamen Piani. Yusif Eyvazov hat als Radamés alle Höhen und viel Kraft aber seine Mittellage klingt diesmal noch kehliger als sonst, auch singt er nicht ganz sauber. Luca Salsi Stimme ist wie geschaffen für die riesigen Dimensionen der Arena, er ist ein ungemein präsenter und kraftvoller Amonasro. Violeta Urmana singt die Amneris schon mit sehr reifem Timbre, Vitalij Kowaljow den Ramfis mit edler Stimmfülle. Unscheinbar ist der junge, noch nach Ausdruck ringende Romano dal Zovo als König.

Der Spanier Jordi Bernacèr lässt mit präzisen und weitausholenden Gesten vielen Abstufungen im Orchester der Arena di Verona aufregend aber nicht immer eines Sinnes mit der Bühne musizieren.

Beide Male viel Applaus!

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