Viel Marthaler wenig Verdi im Salzburger Falstaff

Xl_falstaff-2023-c-sf-ruth-walz-014 © Ruth Walz

Giuseppe Verdi Falstaff Salzburger Festspiele 30.8.2023

Viel Marthaler wenig Verdi im Salzburger Falstaff

Im hohen Alter entschied sich Giuseppe Verdi noch einmal eine Oper zu schreiben. Diesmal eine Commedia lirica wiederum nach einem Stoff von William Shakespeare. Falstaff stellt den Charakter des beleibten Sir John Falstaff aus dessen Komödie "Die lustigen Weibern von Windsor" in den Mittelpunkt, der seine Ehre und Stand gleich zwei Frauen anbietet, um seine leere Kasse und Bauch zu füllen. Nur schlecht, daß die beiden Frauen sich austauschen und dem Müßiggänger eine Lehre erteilen wollen. Dazu würzt Shakespeare die Geschichte mit einem eifersüchtigen Ehemann und einem jungen Liebespaar, dem die Heirat verboten wird. Diese Zutaten werden heftig gerührt bis es zu einem guten Ende und zur Einsicht aller kommt.

Die Musik der letzten Oper Verdis unterscheidet sich deutlich von den zahlreichen Vorgängern. Das Libretto ist durchkomponiert ohne Rezitative oder Arien. In einem modernen Parlandostil wird auf die Textverständlichkeit geachtet. Parallelen zum Kompositionsstil seines Antipoden Richard Wagner werden immer vermutet, es ist aber nicht bekannt in wie weit Verdi Wagners Meistersinger, die kurz vorher entstanden sind gekannt hat. Eine Besonderheit ist auch die große Fuge „tutto nel mondo e burla“ als Finale der Oper, die von 8 Stimmen gesungen wird und meisterhaft im Stile barocker Mehrstimmigkeit komponiert ist.

Christoph Marthaler kehrt nun mit einer Neuinszenierung dieses Spätwerkes Verdis nach Salzburg zurück. Er hebelt den Handlungsablauf aus und läßt viele Dinge gleichzeitig auf der Bühne stattfinden, sodaß es für den Betrachter sehr schwierig wird zu folgen. Er quasi desillusioniert den Stoff. Es gibt ein stummes Vorspiel, ein Regisseur – eine Kopie von Orson Wells – sitzt in einem Kinosaal und schaut eine Vorführung eines Films an. Dann wird abgebrochen und ein riesiger ungeordneter Filmset entsteht. Ein gefliester Raum und eine Terrasse vor einem Bungalow mit Pool gehen ineinander von Anna Viebrock gestaltet über. Es tummeln sich jede Menge Menschen, Sänger und Statisten auf der Bühne. Ein Akrobatenpaar vollbringt auch seine Kunststücke. Die Protagonisten treten räumlich getrennt auf. Ursprünglich fehlgeleitet hat die Konzeption eines Filmdreh keine weitere Verfolgung im Laufe des Abends. Die Statistenrolle des fülligen Regisseurs wird ebenso verulkt und tritt auch mal in Ritterrüstung auf. Leider muss man konstatieren, dass in dem Konzept der Desillusionierung wenig Mehrwert und viel Klamauk für den Betrachter enthalten ist. Ein paar Schmunzler entkommen, wenn Statisten ungewollt in den leeren Pool fallen, aber nach dem xten Mal ermüdet dies.

So kann der Zuschauer, der oft genug die hohen Kartenpreise geschluckt hat auf eine ausßerordentliche musikalische Umsetzung hoffen, die aber nicht wirklich erfolgt. Ingo Metzmacher konzentriert sich im Graben mit den glorreich aufspielenden Wiener Philharmonikern auf eine transparente leichte, ja kammermusikalische Interpretation, die wahrlich luftig das Festspielhaus erfüllt aber nicht ausfüllt. Das Sängerensemble ist mit internationalen Spitzenkräften besetzt.

Gerald Finleyist ein edler John Falstaff, der in keinster Weise den tölpelhaften fettleibigen Genußmenschen darstellt, vielmehr wirkt er als nachdenklich philosophischer Gutmensch. Stimmlich gestaltet der den Helden liedartig mit feinen Tönen und rührt so in einer bemitleidende Situation. Auch reißt er sich nicht zu übertriebenen Annäherungen hin, sondern stellt einen Einzelgänger dar, der mit seiner Stimmtechnik nuanciert seine Rolle auskleidet. Simon Keenlyside dramatisiert den vermeintlich betrogenen Ehemann Ford, der sich auch gegenüber seiner Tochter durchzusetzen versucht und nirgendwo im Haus wirklich Ernst genommen wird. Dazu wird er auffällig bunt gekleideet. Seine kräftige Stimme unterstützt die Charakterzeichnung der Regie. Bogdan Volkov und Giulia Semenzato sind das Liebespaar Fenton und Nannetta. Richtig lieben und finden dürfen sie sich in der Regie von Marthaler nicht, zerrissen und auf Abstand drücken sie umso mehr durch ihren lyrischen Gesang ihr Liebe aus. Thomas Ebenstein verleiht seinem Dr. Cajus im Spiel und im Gesang eine gute Darstellung und Präsenz. Elena Stikhina ist eine selbstbewußte modern Mrs Alice Ford, ihr Sopran erfreut mit einer distinguierten farblich gut ausgekleideten Interpretation. Tanja Ariane Baumgartner nutzt als Mrs Quickly mit viel Gespür ihre prägenden komödiantischen Auftritte und versteht Falstaff so immer wieder charmant zu umgarnen. Cecilia Molinari kommt als Mrs Meg Page kaum zur Geltung.

 

Viel Beifall im nahezu ausverkauften Haus

 

Dr. Helmut Pitsch

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