Piotr Beczala im Interview zu Tosca in Gran Canaria

Xl_af021c4f-24d1-49da-8d8d-22396eb887e7 © Julia Wessely

LAS PALMAS DE GRAN CANARIA: Interview mit KS Piotr Beczala anlässlich seines Cavaradossi in Las Palmas de Gran Canaria vom 20.-24. Februar 2024

1. Sehr geehrter und geschätzter Herr KS Beczala. Nach „Tosca“-Aufführungen an der Wiener Staatsoper kommen Sie direkt auf die weit entfernten Kanaren, nach Gran Canaria. Die Amigos Canarios de la Ópera – ACO sind eine sehr gute Operngemeinschaft und machen in diesem Jahr bereits ihre 57. Temporada mit der Ópera de Las Palmas de Gran Canaria. Aber Gran Canaria liegt nicht ganz im europäischen Opern-Mainstream. Wie fühlen Sie sich mit ihren Auftritten hier auf der Insel? Ist etwas anders als in Nordeuropa oder den USA?

Piotr Beczala: Diese Produktion und meine Mitwirkung waren sehr lange geplant. Mit dem künstlerischen Direktor Ulises Jaén und seiner Frau Isabel Rey bin ich sehr lange befreundet, und endlich hat es funktioniert. Las Palmas ist zwar weit von den Weltbühnen entfernt, hat aber eine große Operntradition. Nach meinem Recital hier vor paar Jahren und jetzt den drei „Tosca“-Aufführungen habe ich das Gefühl, dass wir mit unseren Leistungen sehr viele Menschen glücklich gemacht haben. (Das kann ich nur bestätigen! Anm. des Verf.)

2. Las Palmas de Gran Canaria ist die Stadt des großen Alfredo Kraus, der auch oft an der Wiener Staatsoper aufgetreten ist, immer wieder auch als Werther. Wie stehen Sie zu diesem Großen der Tenorzunft, und bedeutet sein großer Name gerade hier auf der Insel etwas Besonderes für Sie und Ihre künstlerische Arbeit?

P. Beczala: Ich bin sehr an die Geschichte gebunden und habe großen Respekt vor den Sängern von damals. Alfredo Kraus gehört zu den ganz großen! Man kann als Tenor viel von seinem Werdegang lernen, seiner Intelligenz was dien Rollenauswahl betrifft und seiner Art sich in diesem schwierigen Beruf zu schlagen. Er ist hier auf Gran Canaria ein wahrer Held. Sein Beispiel trotzt dem was man sagt, dass „niemand ein Prophet im eigenem Land ist“!

3. Mit der „Tosca“-Produktion in Wien und der Neuinszenierung der „Tosca“ nun in Las Palmas durch Daniele Piscopo haben Sie in zwei klassischen, sehr werkimmanenten Inszenierungen gesungen. Wie wäre es, wenn Sie, auch wenn das bei der Verismo-Oper „Tosca“ eher unwahrscheinlich ist, in einer Regietheater-Produktion der „Tosca“ oder einer anderen Oper des Verismo singen müssten? Wie stehen Sie überhaupt zu Regietheater-Inszenierungen, die aus dem Ruder laufen und vom Stück entfremden?

P. Beczala: Es waren sehr schöne, beglückende Vorstellungen. Da hat Wien und Las Palmas etwas Gemeinsames, eine traditionelle Auffassung von „Tosca“. Beide Produktionen basieren auf musikalischen und schauspielerischen Leistung der Sänger, wunderschönen Kostümen und Ausstattung - was will man mehr …?! Klar ist es möglich, diese Oper zu aktualisieren. Ob man es aber unbedingt braucht … auf keinen Fall nicht um sie zu entfremden. Modernisierung bedeutet nicht sofort, dass man es anders erzählen muss, die Sänger in eine unbequeme und unvorteilhafte Situation zu bringen. Ich persönlich mag traditionelle Produktionen, habe aber kein Problem, wenn ich in einer intelligenten modernen Aufführung singen muss, sobald das Produktionsteam die Geschichte vom Komponisten und Librettisten respektiert.

4. Sie singen als Pole Opern des italienischen, des französischen, des slawischen sowie des deutschen Fachs und alle in den jeweiligen Sprachen. In welcher Sprache singen Sie am liebsten, und darf man auch wissen, ob Sie einen Lieblingskomponisten haben und wie der heißt.

P. Beczala: Mein Repertoire ist tatsächlich sehr breit gefächert, all diese Sprachen sind unterschiedlich, und ich habe keine Lieblingssprache oder -Oper … Ich versuche, mich dem jeweiligen Stil anzupassen, um authentisch zu bleiben, egal ob es sich um Verdi, Puccini, Massenet oder Moniuszko handelt. Ich singe ausschließlich Opern, die ich mag. Das ist ein kleiner Vorteil, den ich aus meiner erarbeiteten Position in der Opernwelt ziehe.

5. Wie sehen Sie, nachdem Sie insbesondere mit dem „Lohengrin“ an großen Häusern reüssiert haben, den Komponisten Richard Wagner im Verhältnis zu den Komponisten des italienischen und französischen Fachs? Auch was die Gesangstechnik und stimmlichen Herausforderungen betrifft.

P. Beczala: Inzwischen habe ich auch Wagner gern, zumindest wenn man an den Lohengrin denkt. Tatsächlich ist diese Partie sehr „italienisch“ angelegt, so kann ich aus vollen Zügen meine Erfahrungen genießen. Gleichzeitig ist die Sprache Deutsch, und damit muss man konfrontiert sein. Die Konsonanten sind wichtig, und die richtige Balance zwischen Stütze und Projektion ist entscheidend.

6. Können Sie uns etwas zu Ihren kommenden Projekten und Rollen-Plänen sagen? Spielt der Parsifal dabei eine Rolle, bzw. wissen Sie schon, wann Ihr Rollendebut stattfinden wird?

P. Beczala: Ob ich aber weiter in Richtung Wagner mein Repertoire erweitern werde, bezweifle ich stark. Sicher Rollen wie Parsifal, Walter von Stolzing oder Siegmund wären von vielen Veranstaltern oder Dirigenten gewünscht, aber um eine richtigen Balance zu halten, muss man vorsichtig sein. Im Jahr 2023 habe ich 21 Vorstellungen „Lohengrin“ gesungen. Wenn ich weitere Wagner-Rollen dazu nehmen würde, könnte sehr schnell kein Platz mehr für italienische, französische und slawische Opern, Konzerte oder Liederabende sein … und dass will ich nicht.

7. Bitte lassen Sie uns noch wissen, was Ihnen als einem der besten Opernsänger der Welt wichtig erscheint für den Fortgang der Kunstform Oper.

P. Beczala: Ich würde mir nicht so viele Sorgen um die Zukunft der Oper machen - wenn man gute Sänger haben wird, ist wirklich alles in Ordnung. Ich beobachte viele großartige junge Sänger , die mit Offenheit, mit Interesse und Talent gerade die Karriere gestartet haben. Man soll die Daumen drücken, dass sie die Chance haben werden, ihr Talent zu entwickeln und das Publikum zu beglücken! Sehr geehrter Herr Kammersänger Beczala!

Wir danken Ihnen ganz herzlich dafür dieses hochinteressante und so offenherzige Interview und wünschen Ihnen alles erdenklich Gute für ihre persönlich he und künstlerische Zukunft. Sicher werden viele der (nicht nur) Wiener Opernfreunde zu Ihrem Faust im Mai an der Wiener Staatsoper und zu Ihrem Recital am 8. Juni im Konzerthaus kommen. (Das Interview wurde über E-Mail-Austausch gemacht).

Dr. Klaus Billand

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