Wien: Francis Poulencs „Les Dia­lo­gues des Carmélites“als grausamer finaler Todestanz

Xl_dialog_der_karmeliterinnen-wien-6-23-1 © Michael Pöhn

„Salve Regina“: Stark, laut und vollen Mutes singen die 16 Nonnen mit bereits prunkvollen Heiligenscheinen im Angesicht des Todes diesen Choral, da saust die Guillotine im Namen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit geräuschvoll und unerbittlich herab bis die letzte Stimme verstummt ist. So grausam und so bewegend eindringlich lässt Francis Poulenc seine 1957 in Mailand uraufgeführte Oper „Les Dia­lo­gues des Carmélites, für die er auch nach dem Filmdrehbauch von Georges Bernano das Libretto schreib, enden. Es ist die historisch verbürgte Geschichte von sechzehn Ordensnonnen, die 1794 während des großen Terrors in der französischen Revolution für ihr Festhalten an ihrem Glauben ihr Leben lassen mussten. Es ist ein Werk zwi­schen Zwei­fel und Hoff­nung sowie Kampf zwi­schen To­des­angst und Glau­bens­kraft.

Nach fast 60-jähriger Abstinenz werden die „Ge­sprä­che der Kar­me­litin­nen“ – so der deutsche Titel - nun auch wie­der an der Wiener Staats­oper in einer Neuproduktion aufgeführt. Die kontrastreiche Gegenüberstellung von Kloster und Welt, Revolution und Religion, Gebet und Terror wird in einem brüchigen, offenen, sich oft drehenden Holzgerüst gezeigt, das die Bühne dominiert und keinerlei Schutz vor der Außenwelt (Bühne: Monika Biegler) verschafft und mit vielen Räumen und Treppen ausgestattet ist. In diesem fragilen Gebilde leben die Klosterschwestern in schwarzen Kutten und Sandalen und drängen sich ängstlich zusammen. Ein Kirchenfenster im Hintergrund mit stilisierter sakraler Kunst ist zu sehen. Magdalena Fuchsberger zeigt darin allerdings eine hauptsächlich bebilderte, brave, ja biedere und wenig packende Inszenierung mit sparsam eingesetzten Ideen und konzentriert sich ganz auf die menschliche Tragödie. Dazu gibt es noch allerlei Masken, Allegorien und Todesvögel. Die eindringliche Inszenierung von Robert Carsen am Theater an der Wien von 2008 hingegen wird wegen ihrer Radikalität vielen unvergessen bleiben.

Ni­co­le Car spielt die von unzähligen Phobien geplagte Blanche, die im Kloster Zuflucht sucht, sicher, eindringlich und expressiv. Ihre mutige Kollegin als Novizin ist Maria Na­za­ro­va, eine stimmlich sehr bewegliche Constance. Ein Ereignis für sich: Mi­chae­la Schus­ter zeigt als ster­ben­de Priorin des Klosters Ma­dame de Crois­sy von der Regie allein gelassen, einen darstellerisch und stimmlich soliden Todeskampf. Eve-Maud Hu­beaux als Mére Marie und Maria Motolygina als Madame Lidoine singen eindrucksvoll. Herausragend aus dem Ensemble ist noch Ber­nard Rich­ter als Chevalier de la Force.

Bertrand De Billy ist ein exzellenter Sachwalter von Poulencs feingliedriger, stets tonaler Partitur, dessen persönliche, innere Betroffenheit in dem Werk allgegenwärtig ist, bei der er schon 2008 im Theater an der Wien am Pult stand. Da wird vom Orchester der Wiener Staatsoper die geheimnisvolle, meist verhaltenene, teils dramatische, aber auch explosive Stimmung sensibel, schillernd, farbenprächtig und expressiv musiziert.

Riesenjubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

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