Wagners "Tristan und Isolde" in Rijeka: Liebesdrama als statisches Kammerspiel

Xl_tristan-rijeka-2-20-1 © Nationaltheater Rijeka

Es ist ein sehr gelungener Fellner und Helmer Bau aus 1885, mit Deckenmalereien des jungen Gustav Klimt:  Das Rijeker Nationaltheater Ivan Zajic - benannt nach einem, von 1832 bis 1914 hier wirkenden Sohn der Stadt, einem Komponisten und Dirigenten. Aber es ist nicht besonders groß, vor allem nicht der Orchestergraben. Deshalb bedarf es schon einer gehörigen Portion Mut, Richard Wagners „Tristan und Isoldein der mit etwa 130.000 Einwohnern, drittgrößten Stadt Kroatiens aufzuführen. Aber offensichtlich wollte man als Kulturhauptstadt 2020 ein besonderes Zeichen setzen. Und so wird in der Adriametropole, die sich als "Hafen der Vielfalt“ – so das Motto - präsentieren will, und wo mehr als 600 Veranstaltungen und 250 Projekte geplant sind, die insgesamt vier Millionen Besucher anziehen sollen, das erste Mal überhaupt eine Oper des Bayreuther Meisters aufgeführt.

Und man ist erstaunt, über die hohe musikalische Qualität: Trotz der kleinen Besetzung im vollgestopften Graben, der einfach nicht mehr Musiker zulässt, und wiewohl man sich doch mehr Streicher gewünscht hätte, hört man das Rijeka Sinfonieorchester sehr schlank und transparent, farbig und kammermusikalisch, aber auch leidenschaftlich unter seinem ersten Dirigenten, dem ungemein exakt und engagiert agierenden, 33-jährigen Finnen Ville Matvejeff.

Die deutsche Sopranistin Maida Hundeling beeindruckt als Isolde mit ausdrucksreichen Nuancen, nur manchmal hätte sie ihre Riesenstimme für die Dimensionen des Hauses etwas zügeln sollen. Als Tristan ist Lars Cleveman mit schönen Phrasierungen zu erleben, der auch über genügend Reserven für den Schlussakt verfügt. Als König Marke ist besonders schönstimmig und wortdeutlich Luka Ortar zu hören. Die Textverständlichkeit fehlt zwar bei Ivana Srbljan als Brangäne, aber sie verfügt über einen wunderbaren, warmen Mezzo und weiß bei ihrem „Nachtgesang“ Gänsehaut zu erzeugen. Solide singen Robert Kolar (Kurnewal) und Marko Fortunato (Melot). Etwas blechern aus dem Off erklingt der Männerchor des Hauses.

Zugegeben, die Oper, eines der größten Liebesdrama der Weltliteratur, ist wegen ihrer eigentlichen „Nichthandlung“ nicht leicht zu inszenieren aber eine gewisse Deutung oder zumindest einige wirkungsvolle Ideen hätte man sich von Anne Bogart dabei schon erwarten dürfen. So aber erschöpfen sich diese auf riesige Projektionen von Meereswellen oder Lichteffekten auf einer Glaswand im Hintergrund, sowie auf einige Holzliegen, die immer wieder herumgeschoben werden, und im zweiten Akt durch Fauteuils ausgetauscht werden, auf denen im grauen Einheitsraum (Ausstattung: James Schuette) ständig herumgesessen wird. Ergänzend tauchen immer wieder dunkel gekleidete Personen, ebenfalls in Kostümen der 1950-60er Jahre auf, die in verschiedenen Gruppierungen herumstehen und deren Sinn sich nicht erschließt. Diese immer wieder eingefrorenen Bilder sind geprägt von Statik, teilweise ist eine Interaktion zwischen den Protagonisten nicht wahrnehmbar. Eine unsichtbare Reise von der materiellen Welt in eine metaphysische und retour, wie die amerikanische Regisseurin im Programmheft ankündigt, ist nicht erkennbar.

Zum Schluss gab es stehende Ovationen im Publikum und große Freude, das aufwändige Werk hier in Rijeka erleben zu dürfen.

 

Dr. Helmut Christian Mayer

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