Verdis "Otello" in Venedig: Ein aufwühlendes Eifersuchtsdrama

Xl_otello-venedig-4-19-4 © Michele Crosera

Die vier schwarzen Dämonen tauchen zum ersten Mal beim „Credo“ auf, bei jenem nihilistischen Gesang, bei dem Jago seine ganze intrigantische Bösartigkeit zur Schau stellt. Die vier Tänzer umgarnen dann fallweise und nie überzogen nicht nur ihn, sondern auch den Titelhelden und lassen diesen immer mehr in seine Eifersucht hineinrutschen: Bei Giuseppe Verdis „Otello“ am Teatro La Fenice in Venedig weiß Francesco Micheli aber auch sonst mit vielen Ideen und Symbolen wie auch einer schlüssigen, durchaus auch drastischen Personenführung zu packen. So wird vom italienischen Regisseur der Streit und die Rauferei zwischen Cassio und Rodrigo und den anderen Soldaten in schmucken weißen Uniformen recht brutal gezeigt. Symbolhaft wird gezeigt, wie Otello seiner Desdemona in der ersten Liebesnacht das berühmte Taschentuch als Liebespfand überreicht, mit dem sie sich dann beide umwickeln.

Reich an Symbolen ist auch das sehr ästhetische Bühnenbild von Edoardo Sanchi. Auf einem Zwischenvorhang und an den Wänden sind Sternzeichen und andere Figuren auszumachen. Dominant mittig ist der Löwe, der für den Titelhelden steht, auszumachen. Weiters erkennt man eine Schlange (für Jago) und einen Engel (für Desdemona). Diese Symbole sind auch an den Außenwänden eines Kubus angebracht, der gedreht zum wunderbaren, mit goldigen, orientalisch anmutenden Ornamenten verzierten Schlafzimmer mit wertvollen Teppichen und Polstern wird. Sehr ästhetisch erscheinen auch die zeitlosen Kostüme von Silvia Aymonino.

Dass das meisterliche Spätwerk Verdis aber auch musikalisch zündet, dafür sorgt der Mann am Pult: Wie schon bei Verdis „Macbeth“ im letzten November kann Myung-Whun Chung auch diesmal mit packendem Zugriff das Orchester des Teatro la Fenice zu extrem aufregendem wie auch detailreichem Musizieren animieren und erzeugt so immer wieder eine emotionale Siedehitze. Er kostet dabei sowohl die dramatischen Ausbrüche wie auch die lyrischen Phasen ausgiebig aus, wobei er die Sänger aber nie zudeckt.

Und diese agieren ganz vorzüglich: Packend führt Marco Berti den als hoch eifersüchtigen, vor Wut und Wahnsinn immer wieder emotional explodierenden Titelhelden vor, der die Partie kraftvoll mit allen ungefährdeten Spitzentönen bewältigt. Carmela Remigio ist eine sehr berührende, fast mädchenhafte Desdemona, die als starke Frau gezeichnet ist. Dalibor Jenis ist ein raffinierter Jago zum Fürchten mit viel Dämonie und kraftvollem Bariton. Wunderbar hört man auch Matteo Mezzaro als Cassio sowie Elisabetta Martorana als Emilia. Die kleineren Partien sind auch von hoher Qualität. Stimmgewaltig vernimmt man den bewegungsfreudigen Chor und Kinderchor des Teatro la Fenice, dessen Einstudierung Claudio Marino Moretti besorgte.

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

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