
Viel zu selten wird „Oedipus Rex“ von Igor Strawinsky aufgeführt. Dabei ist das einstündige Opern-Oratorium des russischen Komponisten aus 1927 durchaus effekt- und kraftvoll, unerbittlich und monumental, rhythmusorientiert, wenig dissonant und mit relativ einfacher Harmonik ausgestattet. Aber vielleicht fehlt es der Komposition mit ihrem statischen und ritualen Charakter etwas an Gefühlsüberschwang. Zudem ist sie doch recht aufwändig zu besetzen. Strawinsky ließ den Text extra auf Latein übersetzen, damit das Stück möglichst archaisch wirkt.
Jetzt war das Werk noch zum Abschluss der diesjährigen „Ouverture Spirituelle“ bei den Salzburger Festspielen im Großen Festspielhaus als erstes Konzert der Wiener Philharmoniker unter dem exakt dirigierenden Esa-Pekka Salonen, der für den erkrankten Lorenzo Viotti kurzfristig eingesprungen war, mit großer rhythmischer Präzision und reichen Nuancen zu erleben.
Für den Sprecher war kein Geringerer als der zweifache Oscar-Preisträger Christoph Waltz engagiert worden, der dieser Rolle seine sonore Stimme verlieh und für große Aufmerksamkeit und einen enormen medialen Hype sorgte. Erste Sahne waren auch die Gesangssolisten mit dem höhensicheren, hellen Tenor von Allan Clayton als Oedipus, Marina Viotti als dunkeltimbrierte, schön singende Jocaste, dem profunden, machtvollen Michael Volle als Kreon und Bote. In kleineren Rollen waren noch Albert Dohmen (Teresias) und Antonin Rondepierre (Hirte) zu hören. Eine Klasse für sich wieder einmal der Wiener Singverein (Einstudierung: Johannes Prinz), der reich an Schattierungen und ausbalanciert die überwiegend kraftvollen, rhythmischen Deklamationen sang.
Nach diesem Werk über die unentrinnbare Schicksalsmacht folgten dann die „Episoden aus dem Leben eines Künstlers“, in die viel Autobiographisches aber auch Literarisches eingeflossen ist: Hector Berlioz geniale „Symphonie fantastique“, für die damalige Zeit – sie entstand 1830 - unglaublich neu und der Zeit weit voraus. Besonders beeindruckend war, was der finnische Dirigent bei den Musikern an Spannkraft speziell aus den beiden letzten Sätzen herausholen konnte: Bei immer wieder dramatisch zugespitzten Tempi wurde beim „Gang zum Richtplatz“ und beim „Hexensabbat“ flirrend, exzessiv und spielfreudig musiziert. Dabei gefielen die zahlreichen, solistischen Einlagen in allen Instrumentengruppen. Am Ende war der Traum wie in einem Opiumrausch tatsächlich zum Albtraum geworden und mündete in den Jubel und die stehenden Ovationen des begeisterten Publikums!
Dr. Helmut Christian Mayer
02. August 2025 | Drucken
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