Rameaus "Platée" in Wien: Olymoische Göttergroteske als furiose Modeshow

Xl_platee-wien-4-21-1 © Werner Kmetitsch

Es war die Kultproduktion von 2014 am Theater an der Wien, die vom Publikum gestürmt und deren Wiederaufnahme bei einer Publikumsbefragung ausdrücklich gewünscht wurde. Letzten Dezember sollte Jean-Philippe Rameaus „Platée“ wieder gespielt werden aber wie sooft machte auch diesmal wieder einmal die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Jetzt hat man die Erfolgsproduktion aufgezeichnet, eine DVD produziert und im TV 3 Sat gesendet. Rameaus Werk wurde 1745 zur Hochzeit von Louis, Dauphin von Viennois, in Versailles uraufgeführt.

Robert Carsen gelingt das Kunststück diese seltene Barockoper zu einer urkomischen Produktion zu machen. Der kanadische Regisseur schuf eine olympische Göttergroteske, in der sich die sonst eher humorlosen Götter über sich selbst lustig machen: Seiner ständig aber nicht unberechtigt eifersüchtigen Gattin will Jupiter eine Lektion erteilen. Mit seinen Götterkollegen inszeniert er mittels Intrige eine Scheinhochzeit mit der extrem hässlichen Sumpfnymphe Platée, die jedoch von ihrer Unwiderstehlichkeit überzeugt ist. Anfänglich erscheint sie urwitzig bei einer Schicki-Micki Gesellschaft mit Gurkenmaske und eingewickelt in ein Handtuch. Als Juno sie mit ihrem Gatten im Bett erwischt, schlägt deren Zorn in höhnisches Gelächter um und sie versöhnt sich mit Jupiter.

Die Idee des Regisseurs, das satirische Satyrspielin der mondänen Modewelt anzusiedeln und den Göttervater zu Karl Lagerfeld und Juno zu Coco Chanel zu machen, sorgt für große Erheiterung. Neben den tollen Tanzeinlagen gibt es auch furiose Modeschauen. Dabei werden nicht nur die Dekadenz der Modebranche, sondern auch die oberflächliche Bussi-Bussi-, Handy- und Smartphon-High Society veräppelt. Carsen besticht mit seiner spritzig-witzigen Regie und unendlich vielen, detailverliebter Einfälle. All dieses vitale Personengewimmel wird in einem schicken Ambiente eines Clubs im Olymp mit Disco-Kugel oder im Salon von Coco Chanels mit der berühmten Treppe (Ausstatter: Gideon Davey) gezeigt, wobei das Bühnenbild von spiegelnden Oberflächen dominiert wird.

Eine Klasse für sich ist, wie schon bei der Premiere 2014, Marcel Beekmann in der Titelpartie. Platée ist eine Travestierolle. Mit Mut zur Hässlichkeit stürzt sich der niederländische Tenor in diese Partie: Mit viel Humor, teils parodierend bewusst neben der Tonspur quakend – Komponist und Librettist habe diese Laute bewusst eingeführt - aber auch, wenn nötig, mit perfekten Tongirlanden. Jeanine De Bique ist „La Folie“, die Toll- oder Narrheit und ist ausstaffiert wie eine Lady Gaga: Sie singt mit reizvoller, gospelhafter Verfremdung und mit hypervirtuosen Koloraturen, deren exzessive Ausformung ihr vom Dirigenten extra eingeräumt wird.Jupiter wird herrlich sonor von Edwin Crossley-Mercer als Lagerfeld samt Mietzekatze Choupetteam Arm dargestellt. Emilie Renard ist eine enorm keifende Juno. Von den vielen kleineren Rollen gefallen Cyril Auvity (Mercure/Thespis) und Marc Mauillon (Cithéron/Momus). Spielfreudig und souverän wie gewohnt erlebt man den Arnold Schönberg Chor. Eine witzige Choreografie von Nicolas Paul für die Models, Dienstboten, Paparazzi und Adabeis trägt zum Erfolg des Abends bei.

Ebenso wie das Ensemble Les Arts Florissants, das unter William Christie, alle sind ausgewiesene Spezialisten für Alte Musik, zur Höchstform findet. Dirigent und Musiker lassen die Komposition förmlich erblühen, mit lebhaften flotten Tempi, mitreißendem Verve und enormer Vitalität.

Dr. Helmut Christian Mayer

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