Linzer Landestheater: "La damnation de Faust" - Multiplikaktion der Protagonisten

Xl_faust_verdammnis-linz-2-18-2 © Reinhard Winkler

Landestheater: Zwiespältige Aufführung von „Faust Verdammnis“ von Hector Berlioz Nicht nur Poeten sondern auch Tonschöpfer regte der „Fauststoff“ immer wieder zu höchster Kreativität an. So auch Hector Berlioz, der seine Vertonung „La Damnation de Faust“ nennt und dessen selbst verfasstes Libretto von Goethes berühmtem Werk inspiriert ist. Zugegeben, es bereitet immer wieder Schwierigkeiten, sein kolossales Klanggemälde, das oratorienhafte Züge aufweist, in Szene zu setzen. Und so ist es vom Linzer Landestheater durchaus anerkennenswert und mutig, „Fausts Verdammnis“ szenisch aufzuführen. Der Beginn dieser Inszenierung von David Marton, eine Koproduktion mit der Oper Lyon, wo das Werk bereits 2015 gezeigt wurde, ist auch durchaus verheißungsvoll: Wenn Faust zu einer abgebrochenen Brücke vor dahinter gelegenen Bergen kommt, sich symbolhaft dort quasi am Ende seines (Lebens) Weges seinen Naturbetrachtungen hingibt und junge Mädchen in dieser sandigen Wüstenlandschaft mühsam mit Gieskannen winzige Pflänzchen gießen. Auch die Multiplikation der Figuren, bei denen der gesamte Chor mit den Solisten mitsingt - quasi die Vereinnahmung der Individualität durch die Masse - etwa beim erstmaligen Auftritt von Mephisto, macht Effekt. Beim Liebesduett zwischen Faust und Margarete hingegen erscheint diese Vervielfältigung mit unzähligen Liebespaaren jedoch entbehrlich. Wie überhaupt der präzise und stimmgewaltig singende Chor, inklusive Kinderchor vom ungarischen Regisseur stark aufgewertet und zum fünften Protagonisten des Abends wird, allerdings teils in eigenwillig arrangierten Formationen herumstehen muss. Aber bald verliert die Inszenierung von Marton in dem öden Einheitsraum (Bühne: Christian Friedländer), der im zweiten Teil komplett mit weißen Tüchern verhüllt ist, an Spannung. Dazu tragen die vielfachen langen, meist vom Chor gesprochenen, meist unverständlichen Originalzitate aus Goethes „Faust“ bei, einmal sogar auf Englisch. Teils auch das heutzutage scheinbar unvermeidliche, großteils direkt aufgenommene Videogeflimmer. Vor allem das Finale, der „Ritt“ in die Hölle findet nicht auf zwei schwarzen Rössern sondern in einem uralten Auto statt. Bei diesem dramaturgischen und musikalischen Höhepunkt passiert fast nichts, außer dass man erlebt, wie Faust auf den Seziertisch gelegt und auf eine Operation vorbereitet wird. Danach wird er ins gleiche Gewand wie Mephisto gesteckt, der wiederum mit einem Koffer das Opernhaus verlässt und mit der Straßenbahn zum Linzer Hauptplatz fährt. Kaum Wünsche offen lässt die Sängerschar: Den an Weltschmerz leidenden Titelhelden singt Charles Workman mit seinem schlanken, ideal für das französische Repertoire geeigneten Tenor, ausdrucksstark und schwärmerisch mit allen Spitzentönen. Als Méphistophélès punktet mit kraftvoll-dämonischer Interpretation und fassettenreicher Gestaltung Michael Wagner, ein Grandseigneur aller Verführer. Jessica Eccleston ist eine Marguerite, deren Mezzo in ihren beiden herrlichen Arien meist wunderbare Innigkeit verströmt. Kräftig: der eingesprungene Ulf Bunde als Brander. Im Bruckner Orchester Linz unter seinem Chefdirigenten Markus Poschner erspürt man nach anfänglicher Zurückhaltung die gewünschten Emotionen, so auch das diabolische Gruseln und die farbigen Klänge der zukunftsweisenden Musik. Mannigfaltig dynamische Abstufungen sind ebenso zu erleben wie ein insgesamt sehr musikantischer und organischer Musikfluss. Großer Jubel!

Helmut Christian Mayer

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