
Aron Stiehl scheint auf den Geschmack von Richard Wagners Musik gekommen zu sein. Denn nach dem kompletten „Ring des Nibelungen“ setzt der Intendant des Klagenfurter Stadttheaters nun „Tristan und Isolde“ auf den Spielplan und inszeniert auch gleich wieder selbst. Zugegeben, auch diesmal war die Skepsis vor Beginn wieder groß, wie es wohl gelingen würde, dieses anspruchsvolle und lange Liebesdrama auf der Bühne des doch nicht allzu großen Stadttheaters zu realisieren. Denn das Werk stellt ja bekanntlich auch für jedes größere Haus höchste Anforderungen in puncto Sänger, Orchester und Inszenierung. Aber die Vorbehalte verfliegen schnell, wenn man das Ergebnis bei der zu recht umjubelten Eröffnungspremiere wahrnimmt.
Es sind Töne, die aus dem Nichts heraus entstehen, zarte Poesie, aber auch dramatische Ausbrüche: Die dynamische Palette ist weit und raffiniert. Raffiniert, abgesehen von kleineren Ungenauigkeiten, sind auch der Detail- und Farbenreichtum sowie die Steigerung der Spannungsbögen. Nach einem Vorspiel mit recht langsam gewählten Tempi, ist es bewundernswert, welch emotionale Intensität und welche für den Zuhörer durch eine Gewöhnungsphase doch entstehende Klangfülle das für Richard Wagners Musik doch recht klein besetzte Kärntner Sinfonieorchester unter Chin-Chao Lin verströmt. Für den neuen, sehr präzise agierenden Chefdirigent ein erfolgreicher Einstand!
Mit zum Erfolg trägt auch das qualitativ hochwertige Sängerensemble bei: Katherine Broderick singt die irische Maid mit strahlender, nur fallweise etwas scharfer Höhe, vielen Schattierungen, vor allem ihr „Liebestod“ gelingt ihr ungemein gefühlsstark. Erin Caves hält sich in dieser mörderisch schweren Partie anfänglich etwas zurück, hat aber insbesondere im, für ihn extrem fordernden, dritten Akt noch genügend Kraftreserven und bewältigt seine „Fieberträume“ mit Bravour. Melissa Zgouridi ist eine schön und dunkel timbrierte, ausdruckstarke Brangäne, besonders ihr „Nachtgesang“ gerät ihr wunderbar einfühlsam. Friedemann Röhlig singt den Marke sehr kraftvoll. Birger Radde ist ein markanter Kurwenal mit einem ausgesprochen schönen Bariton in allen Lagen. Ohne Tadel singen Thomas Paul (Melot), David Jagodic (Hirte und junge Stimme eines Seemanns) sowie Dariusz Perczak (Steuermann) und der Männerchor des Stadttheaters Klagenfurt (Einstudierung: Günter Wallner).
Obwohl die Oper sehr handlungsarm ist, gelingt es Aron Stiehl mit meist zurückhaltender, teils statischer aber kluger Personenführung, oft nur mit kleinen Gesten aber vielen Ideen und Details die tragische Liebesgeschichte eindringlich zu vermitteln. Gemeinsam mit der Szene (Bühnenbild: Thomas Stingl) lässt er beeindruckende Bilder entstehen. Während im ersten Akt zu Beginn ein grauer, steriler, verkachelter Raum, offenbar ein bedrückend wirkender Schiffsbauch dominiert, öffnet dieser sich nach Einnahme des Liebestranks zu einem weiten ästhetischen Raum mit nächtlichem Himmel samt Riesenmond. Historisierend wirken die Kostüme (Bettina Breitenecker), von etwas eigenen Geschmack sind dabei jene der beiden Protagonisten. Entbehrlich erscheinen jedoch die wiederholten handgreiflichen Annäherungsversuche der Matrosen an Brangäne. Das Liebesduett lässt der Intendant das Paar weit hinten beginnen, vor zwei nächtlich bemalten, sich drehenden, großen Elementen. Sehr effektvoll wird auch das überraschende Erscheinen von König Marke und seinem Gefolge gezeigt, mit plötzlichem, grellem Licht auf die Liebenden und einem jäh erleuchteten Zuschauerraum. Auch das Schlussbild nimmt gefangen: Isolde kann den sterbenden Tristan nicht mehr erreichen. Er wendet sich von ihr ab, wird von der Bühne weggedreht, um schließlich in einem gleißenden Mond als Silhouette aufzutauchen.
Großer Jubel und stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
21. September 2025 | Drucken
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