Im Stream Wagners "Götterdämmerung" an der Wiener Staatsoper:´Musikalisch, wunderbare Endzeitstimmung

Xl_goetterd_mmerung-wien-1-19-3 © Michael Pöhn

Wotan mit zerbrochenem Speer steht in einem gigantischen, ringförmigen, rotglühenden Feuersturm. Dann scheint ein wilder Wasserstrudel alles mitzureißen und zu vernichten, bevor auf der leeren Bühne ein junges, halbnacktes, eng umschlungenes Menschenpaar als Symbol eines zukunftsvollen Hoffnungsschimmer erscheint: So lässt Sven-Eric Bechtolf die „Götterdämmerung“ von Richard Wagner an der Wiener Staatsoper enden. Aber abgesehen von diesen finalen, spektakulären Videoprojektionen erlebt man im Haus am Ring einen recht biederen Abend, ohne dass der deutsche Regisseur auch nur irgendeinen Versuch einer Deutung der endzeitlichen Tetralogie unternimmt. Seine Inszenierung aus 2008, die im Jänner 2019 wieder aufgenommen wurde und jetzt infolge der Schließung des Hauses wegen der Coronakrise gestreamt wurde – gezeigt wird die Vorstellung exakt vom 20.1.19 - ist ziemlich statisch. In dem hässlichen, grauen Einheitsraum von Rolf Glittenberg mit zeitweiliger grüner Hintergrundverglasung, einer Baumschule von kleinen Tannen statt des Walkürenfelsens, mit eckigen Säulen und einem Schneckensofa in den Halle der Gibichungen sowie Booten bei der Jagd in seltsam anmutenden Kostümen von Marianne Glittenberg konzentriert sich Bechtolf lieber auch die Führung der einzelnen Protagonisten und rückt dabei Hagen in den absoluten Mittelpunkt.

Und dieser ist wegen der Persönlichkeit und der überragenden Präsenz von Falk Struckmann ideal besetzt. Er verfügt zwar über einen teils etwas knorrigen aber immer gewaltigen, kraftvollen, pechschwarzen Bass. Zudem ist er ein Hagen zum Fürchten, ungemein böse und intrigantenhaft. Er kehrte szenisch den fiesen, genialen Drahtzieher des Geschehens gerade widerlich hervor, dem das Geschwisterpaar Gunter, dieser wird von Tomasz Konieczny sehr kultiviert gesungen und von der Regie als völliges Weichei gezeichnet, und Gutrune, die etwas blass von Anna Gabler interpretiert wir, beinahe hündisch ergeben ist. Hagen selbst wird wiederum als Marionette seines Vaters Alberich gezeigt. Jochen Schmeckenbecher verleiht ihm ein besonders prägnantes Profil.

Iréne Theorin singt die Brünnhilde stimmgewaltig und nur teilweise etwas zu vibratoreich: Nach starkem Beginn hat sie auch für ihren großen Schlussgesang noch genügend Kraftreserven. Ihr Sopran bleibt immer warmtimbriert und schafft mühelos alle Spitzentöne. Immer noch beinahe untadelig ist auch die Gesangsleistung von Stephen Gould. Er singt die schwere Partie des Siegfried mit scheinbar unerschöpflichen Kraftreserven mit all ihrer Schönheit seines wunderbar baritonal klingenden Tenors und allen Spitzentönen. Herausragend hört man auch die große Waltraud Meier als Waltraute. Die drei Nornen mit Monika Bohinec, Ulrike Hetzel und Fiona Jopson, und die drei Rheintöchter mit Maria Nazarova als Woglinde, Ulrike Helzel als Wellgunde und Zoryana Kushpler als Flosshilde singen alle auf Staatsopernniveau, ihre entbehrlichen Badekappen und Trockenschwimmübungen zwischen den Booten sind leider immer noch zu erleben. Untadelig, kräftig und durchsichtig singt auch der Chor des Hauses, der von Thomas Lang wieder verlässlich einstudiert wurde.

Auch aus dem Graben vernimmt Besonderes: Dort musiziert das Orchester der Wiener Staatsoper unter Axel Kober mit wunderbarem Wohlklang, feiner Subtilität, kammermusikalischer Transparenz aber auch hochdramatischen, spannungsgeladenen Ausbrüchen.

Großer Jubel des Publikums im vollen Haus.

Weiters erlebt man im Stream eine profunde Einführungen vom Dramaturgen  Oliver Láng, Pausengespräche über die Leitmotive Wagners zum „Ring des Nibelungen“ mit dem Studienleiter Jendrik Springer sowie ein Porträt mit dem Konzertmeister Volkhard Steude und Interviews mit dem Sänger Tomasz Konieczny sowie dem technischen Direktor und einer Führung durch einige Pausensäle des Hauses.

Dr. Helmut Christian Mayer

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