Wenn Ulk an Niveau verliert neue Berliner Walküre verkauft sich unter Wert

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Richard Wagner Die Walküre Deutsche Oper Berlin 17.11.2021 

Wenn Ulk an Niveau verliert neue Berliner Walküre verkauft sich unter Wert 

Eine halbrunde Mauer aus Koffern, Sieglinde ist hektisch beim Packen, der bekannte Konzertflügel steht im Zentrun und auf einmal taucht da ein wilder stummer Teenie am Boden liegend auf. Ein Zeugnis von ihrer vollzogenen Ehe mit Hunding. Über Sinnhaftigkeit dieses Kunstgriffs von Stefan Herheim, dem Regisseur der Neuinszenierung des Ring des Nibelungen an der Deutschen Oper Berlin,  lässt sich diskutieren. Für das Verständnis der Oper scheint er nicht notwendig, insbesondere in der schon ohnehin überladenen Ideenkiste inklusive lebendigen Wolf, die er gebraucht. Dieses Zuviel lässt die Wirkung der Oper und ihrer intensiven Musik verblassen. Noch dazu wenn noch die Technik wie im ersten Akt streikt und das obligate überdimensionierte Tuch in sich zusammenfällt und die Protagonisten zudeckt. Dank der beherrschten Reaktion von Brandon Jovanovich als Siegmund, der das Tuch wieder in den Flügel stopft, geht es ohne weitere Komplikationen ab.

Zu Beginn des zweiten Aktes kehrt Ulk und Parodie zurück. Zuerst herrscht Durcheinander und das Wälsungenpaar räkelt sich in Unterwäsche auf dem Flügel, Wotan gesellt sich ebenfalls in Unterhose aus dem Souffleurkasten dazu. Brünnhilde kommt im Flügel in römischen Kampfgewand mit Brustpanzer hochgefahren, mit je einem Helm und Speer für ihre Schwestern, die bereits mit ihren Koffern mit einer Flüchtlingsschar auf der Bühne sind. Das Durcheinander löst sich nur schwer auf, da kann auch eine beherrschte Fricka keine Ordnung bringen. Die so bezaubernde Intimität der Partitur zwischen Wotan und Brünnhilde geht im Anschluss verloren. Siegmund kehrt mittlerweile wieder angezogen mit Sieglinde im Nachthemd zurück. Die  Todesverkündigung wird nicht wirklich mystisch und am Ende umarmen sich die Walküre und ihr Held.

Wotan gibt den Ton im Zweikampf zwischen Hunding und Siegmund am Klavier an, Sieglinde sammelt die Bruchstücke Nothungs auf. Wie erwartet verschwindet sie mit Brünnhilde im Flügel. Die Walküren sind sich ob ihres Auftrittes im dritten Akt unschlüssig und studieren noch schnell die Partitur während ihr Ritt musikalisch aus dem Orchestergraben dröhnt. Die gefallenen Helden spenden munter Beifall und es darf auch kopuliert werden. Nach einer zum Glück ruhigen klassischen Verabschiedung zwischen Vater und Tochter wird zum Feuerzauber bereits Siegfried im Klavier geboren. Mime im Wagnerkostüm leistet Hilfe. Die Ideen dieser Regie wiederholen sich und verlieren an Überraschungskraft und ermüden.

Weniger ist deutlich mehr und wäre angemessen. Die Handlung fasziniert unverändert und benötigt keine Verulkung um originell zu wirken. Musikalisch kann der zweite Abend des Rings nicht überzeugen. Brandon Jovanovich ist kein Heldentenor mit Strahlkraft. Dazu müht er sich redlich mit seiner Wortverständluchkeit als Siegmund und kriegt aus dem Orchester nur sanfte Unterstützung, die den Spannungsbogen bricht. Elisabeth Telge als Sieglinde bleibt farblos und lässt Höhe und Sinnlichkeit vermissen. Dafür ist Tobias Kehrer ein furchteinflössender gruseliger Hunding mit dunklem Bass. Iain Paterson ist kurzfristig als Wotan eingesprungen und kommt mit den Anforderungen der Regie gut zurecht und lässt sich von dem Treiben auf der Bühne nich ablenken. Mit sonorer wenig nuancenreicher aber sicherer Stimme führt er einen ruhenden Pol. Routiniert mit unglaublicher Spiefreude widmet sich Nina Stemme ihrer Brünnhilde. Stimmlich wirkt sie bestens disponiert und zeigt viele gefühlvolle Phrasierungen wie heldische Kampfeslust. Die Höhen sowie die wagnerschen Wortlaute bringt sie ausdrucksstark, mitunter metallen. Auch Annika Schlicht kommt am zweiten Abend als Fricka überzeugend zur Geltung. Verführerisch verwickelt sie Gottvater im Gespräch und fordert beherzt seinen Eid. Hervorzuheben ist ein gesanglich sehr gelungene Darbietung der Walküren, die in der Regie schlicht unterzugehen droht.

Im Orchestergraben überzeugen an diesem Abend Sir Donald Runnicles und das Orchester der deutschen Oper nicht. Unsicherheiten besonders bei den Bläsern sind zu vernehmen, oft genug klingt es unklar und es brodelt verschwommen unter der Bühne. Es kommt keine Spannung oder epische Dramatik auf, die den von Bildern, Koffern und Statisten überfütterten Zuschauer zum Zuhören beglückt.

Dr. Helmut Pitsch

Photo Deutsche Oper Berlin Bernd Uhlig

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