Vom Po an den Nil Franco Zeffirelli entführt in Busseto ins alte Ägypten

Xl_0793_aidafv2019_atto_i © Roberto Ricci

Flach im gleißendes Herbstlicht ausgeleuchtet liegt die Padana vor dem Besucher. Jene oberitalienische Landschaft entlang des mächtigen Stromes Po, welche durch die besonders fruchtbaren Böden zu besonderen Reichtum gekommen ist. Mitten drin liegt Busseto. Eine typische anmutige ruhige Kleinstadt, die als Heimat des großen Komponisten und Nationalhelden Giuseppe Verdi berühmt geworden ist. Doch nahezu ausgestorben in einem märchenhaften Dämmerschlaf wirkt die Altstadt. Vereinzelt bewegen sich Gestalten im Halbschatten der Arkadengänge. Kommt man zum Hauptplatz besticht ein übergroßes Monument. Der Meister sitzt wartend auf einem Stuhl, schon eher auf einem Thron, die Beine überschlagen schaut er kritisch auf die Stadt über deren Bürger er sich so sehr gekränkt hat. Die konservativen Kräfte nahmen ihm seine Beziehung zur geliebten Partnerin Giuseppina Strepponi ohne Trauschein übel. Doch dann kam sein Erfolg und sie errichteten ihm zu Ehren ein Theater. Ein großes Theater, welches der Meister als zu groß und protzig kritisierte. Und er hat es nie besucht. Zur Eröffnung sagte er kurz vorher ab und weilte in der Nähe mit seiner mittlerweile Frau auf Kur. Der Nachbargemeinde bescherte er ein Krankenhaus, kein Zimmer schaut nach Busseto. Niemand sollte auf die Bewohner einen Blick richten. Jetzt muss er es tun. Und die Bewohner feiern ihn zu jedem Anlass gebührend in eben diesem kleinen aber feinen Opernhaus. Hineingezwängt in die Hülle des alten Castell ist es ein verstecktes architektonisches Juwel - ein feiner Holzbau, alles en miniature mit Foyer, Treppenhaus, Orchestergraben und Logen.

2001 war es wieder einmal soweit, zu seinem 100. Todestag. Niemand geringerer als der große Regiemeister Franco Zeffirelli wurde beauftragt, des Maestros berühmteste Oper, einen wahren Opern Hit, seine Aida  zu inszenieren. Und Franco Zeffirelli hat geliefert!

Mehrmals hat er diese Aida auf die Bühne gebracht, ob in der mächtigen Arena di Verona oder den prächtigen Opernhäusern von Mailand oder Tokyo. Viele seine Einfälle hat er für diesen Anlass auf die kleine Bühne angepasst. Wie kein anderer versteht Atmosphäre zu schaffen, eine ausgeklügelte natürlich anmutende Personenführung inklusive. Da marschieren immer wieder Wächter auf, Priester oder Sklavinnen. Es herrscht ein reges Treiben aber ohne Hetze ohne Überfüllung – auch wenn die Bühne nicht viel Platz  bietet.  Dazu spart Zeffirelli auch nicht in den von ihm entworfenen Bühnenbildnern. Da wird der Pharaonenpalast monumental abgebildet mit zahlreichen Reliefs an den Wänden. Das Nilufer wird zur Sandbank mit einem großen Pharaonenkopf im Sand und Palmen im Hintergrund. Er entführt in die Antike, viele Details realistisch ausarbeitend. Die Kostüme von Anna Anni sind den bekannten archäologischen Abbildungen nachempfunden. Blaue Wächter tragen typische Lanzen, die Höflinge und Priester edlen Kopfschmuck. Die gefangenen Äthiopier sind schwarz geschminkt. Von Beginn an fließt der Handlungsablauf harmonisch wie der Nil vor den Augen der sichtlich beeindruckten und gebannten Betrachter ab. Die Sänger finden sich spürbar wohl in dieser traditionellen historischen Umsetzung ohne übertriebenen Schnick Schnack.

Natalie Aroyanmimt eine selbstbewusste aber im Stolz angeknackste Aida. Sie passt sich dem Hofleben dem Schicksal ergeben an. Wenig kampfbewusst stellt sie sich ihrer Rivalin. Ihr Sopran verfügt über viele lyrische weiche Klangfärbung, singt gefühlvoll und strahlend bis in die höchsten Töne der Partie, in der Tiefe wirkt sie einfärbig. Dramatik drückt das Rollenverständnis von Daria Chernii als Amneris aus, zu Beginn wirkt es für das kleine Theater überzogen aber sie findet sich richtig ein und verleiht der Rolle Kraft, Herrschaftlichkeit aber auch die menschlichen Züge der echten Liebe und Reue kommen nicht zu kurz. Boomjee Lee stellt sich heldenhaft der Rolle des Radames. Strotzend vor Kraft zeigt er seine Stimme, mehr ruhigere lyrische Töne hätten auch gepasst. Aber er hat eine sichere Höhe und klingt ausgeglichen bis in die tiefen Lagen. Überzeugend der weitere Koreaner Dongho Kim als Ramfis mit eleganten Pathos und dunklen Schmelz in der Stimme. Andrea Borghini  steuert die nötige italienische Ader als Amonasro in das junge Sängerensemble ein.

Michelangelo Mazzafüllt das Haus mit einem vollen kraftvollen Orchesterklang und läßt es auch richtig laut werden. Blech und Trommeln schaffen Raum und Dramatik, die Streicher steuern Romantik bei. Temporeich hält er Spannung auch über die mehreren unterschiedlich langen Pausen zwischen den Bildern. Die ausgezeichnete Akustik des Hauses arbeitet für ihn und die Sänger. Das Publikum bedankt sich begeistert mit viel Beifall.

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