Verismo in Starbesetzung füllt die Münchner Oper

Xl_d9f5a5a6-4594-4d88-8276-af96f8165933 © Geoffroy Schied

Cavalleria Rusticana /Pagliacci Münchner Opernfestspiele 9.7.2025

Verismo in Starbesetzung füllt die Münchner Oper

Die Opernfestspiele München bringen ein Wiedersehen mit der Neuinszenierung des Opern Doppelabends mit den Einaktern von Pietro Mascagni Cavalleria Rusticana und Ruggero Leoncavallo Pagliacci in Starbesetzung. Es sind die Tenöre, die im Vorfeld den Verkauf anheizen. Erstmals ist der international gefeierte US Amerikaner Jonathan Tetelman mit chilenischen Wurzeln als Turiddu in Cavalleria Rustcana in München zu erleben. Lokalmatador Jonas Kaufmann ist wieder als Canio in Pagliacci wie im Premierenzyklus im Mai zu sehen.

Gewöhnungs- und interpretationsbedürftig ist die Regiearbeit von Francesco Micheli, der beide Opern in der Handlung verfremdend verbindet. Turiddu erliegt nicht im Duell sondern nimmt von der sizilianischen Heimat Abschied und kehrt als Fremdarbeiter in München in Pagliacci zurück. Er lernt im inszenierten Vorspiel im Zug Tonio kennen, der ihn für die Theatergruppe überredet aber diese Truppe kommt nicht wirklich auf der Bühne zusammen. Die Handlung besteht so aus einem abstrakten Eifersuchtsdrama ohne sizilianischen Lokalkolorit über zwei Jahre dauernd, welches von der in der Schwangerschaft verlassenen Santuzza angezettelt wird und dem Femizid aus manischer Besitz- und Eifersucht, welches von Turridu/ jetzt Canio getrieben ist und sieben Jahre später stattfindet.

Es ist viel los auf der Bühne, wenn der große Chor mächtig und bestens singend agiert. Dazu kommt noch eine Drehscheibe von oben mit Stühlen und Sesseln bestückt. Eisenbahnwaggons werden geschoben und gedreht, um weitere budenähnliche Handlungsorte zu kreieren wie einen Restaurantausstatter, der Silvio dem Konkurrenten Canios gehört, eine Eisbar für Canio, eine Metzgerei für Tonio oder ein überdimensionierter Fernseher für das legendäre Fußballspiel Deutschland Italien 1970. Das unterhält, kommt auch beim Publikum gut an, aber mangelt an logischem Zusammenhang insbesondere im zweiten Teil des Abends. Die Sänger ziehen aber so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass solche szenischen Ungereimtheiten nicht ins Gewicht fallen.

Der junge gutaussehende Jonathan Tetelman ist als Latinlover eine Idealbesetzung derzeit für viele Tenorrollen im italienischen Fach, Verismo insbesondere. Seine Stimme verfügt über einen schmeichelnden Schmelz, eine leicht dunkle Tönung und über Volumen. Mit diesem anmutend vollmundigen mitunter in der guten Höhe schmetternden Gesang reisst er das Münchner Publikum mit. Seine Melodiebögen unterlegt er genussvoll mit gefühlvollen Klängen. Auch im Spiel bewegt er sich natürlich authentisch. Ein erfolgreiches Rollendebüt in der Bayerischen Staatsoper ist ihm gelungen.

Anna Pirozzi ist kurzfristig als Santuzza eingesprungen und die routinierte Italienerin bemächtigt sich der Bühne mit vollen warmen Tönen ohne in die Dramatik zu verfallen. Wolfgang Koch gelingt als Alfio eine gute Darbietung, als Tonio in Pagliacci wackelt seine Höhe im Prolog und er kommt nicht wirklich zu einem überzeugenden Rollenbild, was aber an der Regie und Personenführung liegt. Die ehebrecherische Lola wird von Rihab Chaleb gut und sicher ausgeführt. Viel hat Rosalind Plowright als Mama Lucia nicht zu singen, aber ihr brüchige Stimme passt.

Gefühlt angespornt von seinem Kollegen Jonathan Tetelman oder vielleicht durch die Geburt seines ersten Enkelkindes zeigt sich Jonas Kaufmann in bester Verfassung. Gewohnt locker, seiner Wirkung bewusst spielt er einen Gastarbeiter der es scheinbar im unwirtlichen Ausland geschafft hat. Ein Kleinunternehmer, der seine Wurzeln nicht verdeckt. Traditionell der Macho sitzt und wacht er über seine Nedda, die er wie sein Eigentum behandelt. Fest schraubt sich seine Stimme in die Spitzentöne, in der Intonation schleifen diese etwas aber im Klang kommen sie robust und voll. Mit seinem samt weichen Timbre unterlegt er harmonisch seine Melodien und moduliert expressiv seine Gefühle, die sich zu rasender Eifersucht verengen. Das Opfer seiner Raserei ist Nedda, die er in der Theatergruppe aufgenommen hat und von ihm angebetet wird. Ailyn Perez verleiht Nedda viel Weiblichkeit, Selbstbewusstsein mit Durchsetzungswillen, aber genauso fühlt sie Angst, der sie sich stellt. Sehr cantabel schwingend gelingen ihre Arien, bewegend das Duett mit Silvio, dessen Liebe Ihre Ausweglosigkeit nach oben kehrt. Andrzej Filoczyk ist der mutige Liebhaber der der getöteten Nedda zu Hilfe eint und das gleiche Schicksal erleidet. Der Pole besitzt einen gut führbaren Bariton mit satten Schmelz.

Am Pult ist Daniele Callegari für Daniele Rustoni eingesprungen und führt die Musiker mit Umsicht, vorsichtig mit zu wenig Vitalität und Schwung. Zum Betrieb auf der Bühne luefert er aber breite Klangteppiche, das beliebte Zwischenspiel von Cavalleria Rusticana wirkt formell hoheitlich, zur von der Regie aufgebahrten Mama Lucia passend.

Stürmischer kurzer Applaus im ausverkauften Haus

Dr. Helmut Pitsch

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