Turandot ohne China und höfische Pracht aber mit viel Stimme an der Deutschen Oper Berlin

Xl_img_1192 © Bettina Stoß
Ein Wasserschaden zu Weihnachten beeinträchtigt noch immer die Aufführungspraxis der Deutschen Oper Berlin. Bühnenbilder und Lichtregie sind davon betroffen. Mit diesem Hinweis startet auch die Wiederaufnahme von Turandot in einer Inszenierung aus September 2008 von Lorenzo Fioroni mit einem vielbeachteten Rollendebüt von Ricarda Merbeth als Turandot, an ihrer Seite Stefano La Colla, der in der Rolle des Calaf an vielen europäischen Opernhäuser Erfolge feiert. Lorenzo Fioroni hat eine einfache, sparsame Gestaltung des Pekinger Lebens und Hofes geschaffen. Das Volk sitzt auf nummerierten aufgereihten Stühlen und beobachtet das Geschehen, um die Rätsel ihrer Prinzessin wie einen Zirkus. Die bizarre Prinzessin und der wagemutige Prinz handeln ihr Rätselraten wie Haushaltsprobleme am Sperrholz - Küchentisch aus. Die Kostüme von Katharina Gault als auch das Bühnenbild von Paul Zoller verbreiten wenig chinesischen Flair oder höfische Pracht. Der Kaiser sitzt im Anzug in einer Loge und übersieht das Geschehen. Zwischendurch verdeckt ein transparenter Vorhang den Blick auf das öffentliche Geschehen und innere Momente der Intimität der beiden Hauptdarsteller sollen Platz finden. Die Minister Ping, Pang Pong treten wie Strassenkomiker auf und spielen das mörderische brutale Freien kabaretthaft in verteilten Rollen nach. Von einer Personenregie ist nicht viel zu erkennen, das kann aber auch an den eingeschränkten Bedingungen liegen. So richtet sich das Augenmerk umso mehr auf die musikalische Ausgestaltung durch den Dirigenten Alexander Vedemikov, dem künftigen Leiter der dänischen Oper, dem Chor und die Sänger. Forsch ist die Wahl der Tempi und expressiv das Wechselspiel der Lautstärken. Alexander Vedemikov inszeniert das Werk monumental, feierlich und eröffnet kurze romantische Fenster in der Seelenwelt der Prinzessin. Ricarda Merbeths Sopran ist kraftvoll, wie wir sie aus den verschiedenen Wagnerpartien kennen, es fehlt ihr aber die Würze lyrischer italienischer Romantik. Höhen und Lagenwechsel gelingen reibungslos, ausgedehnte Legati und Melodiebögen bleiben hart. Hier zeigt Stefano La Colla seine Stärken sowie in sicher intonierter Höhe. Er wendet Kraft auf und übersteuert dramatische Spitzentöne. Der Welthit Nessun dorma mit seinem akrobatischen Ende gelingt problemlos zur Freude des Publikums. Cristina Pasarolu singt lyrisch und weich über die Liebe. Ihr Sopran zeigt Farbe und Flexibiltät für die Gestaltung der Rolle. Albert Pesendorfer ist ein sicherer Timur, mit seiner grossgewachsenen Statur und aufrechten Haltung überragt er das chinesische Volk, dargestellt vom Chor. Dieser ist zahlreich vertreten und von Jeremy Bines bestens vorbereitet und folgt dem Dirigenten in einer dramatischen Ausgestaltung der Massenszenen. Viel Applaus für alle Beteiligten für eine wohl ausbalancierte Repertoirevorstellung. Helmut Pitsch | Drucken

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