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Gaetano Donizetti Lucia di Lammermoor Tiroler Festspiele 27.12.2026
Tiroler Festspiele Lucia - ein Sängerfest, die Regie zerfließt im Wahnsinn
Als ob Gaetano Donizettis beliebte Oper Lucia di Lammermoor nicht genug Handlung und Dramatik hätte, erfindet Louisa Proske, die Regisseurin der diesjährigen Eröffnungspremiere der Tiroler Festspiele, eine Rahmenhandlung. Inspiriert auch durch die Lebensgeschichte des Komponisten, der viele Jahre in einer geschlossenen Anstalt verbrachte, spielt ihre Lucia in einem Irrenhaus und in der Traumwelt der dort internierten Titelheldin. Es ist dies die Idee und Umsetzung eine Neuauflage einer Regiearbeit der Britin von vor acht Jahren.
Bereits zur Ouvertüre erlebt der Betrachter Lucia in weißer Anstaltskleidung, sich im weißen Metallbett wälzend, umgeben von einem Vorhang aus weißen Fäden. Hell ausgeleuchtet bildet sich im Spotlight so ein Raum auf der sonst dunklen leeren Bühne. Laut Programmheft beginnt Lucia aufgrund einer Radioübertragung der Oper, die Handlung in ihren Wahnvorstellungen zu träumen. Dies war nicht wirklich zu erkennen. Ein weiterer Regieeinfall ist die zu Leben erweckte Geliebte eines Vorfahrens Ihres Geliebten Edgardo, die laut dem Libretto in einem Brunnen ertränkt wurde. Diese kriecht immer wieder aus diesem Brunnen und geistert auf der meist leeren Bühne herum, ohne wirklich Teil der Handlung zu werden.
Aus ihrem sterilen Kubus tritt Lucia immer wieder heraus und schlüpft in ihre eigenen Wahnvorstellungen. Diese zwei Welten verbinden sich nicht schlüssig. Darüber hinaus durchbricht die Regisseurin an den spannendsten Szenen die Handlung. So stoppt die Musik und das Licht bei Erscheinen des betrogenen Geliebten während der Hochzeitsfeier. Zur Wahnsinnsarie wird Lucia im Metallbett aus ihrem Krankenzimmer auf die Bühnenmitte getragen. Gleichzeitig wechseln die Charaktere. Zuvor Gäste und Mitglieder des Hofes sind nun alle Pflegepersonal in weißen Kitteln.
Darko Petrovic setzt diese Stimmungsbilder auf der Bühne um. Zumeist leer, wird diese zur Bühne im Theater, wenn die elegante mondäne Hochzeitsgesellschaft in einem Logentheater Platz nimmt. Vielfältig sind auch die Kostümkreationen von Kaye Voyce. Lucias Bruder wirbelt im langen Pelzmantel wie ein Steppenfürst herum, seine Mannen erinnern an den Don Kosakenchor mit ihren Fellmützen. Arturo im strahlend weißen Anzug mit Cowboyhut wirkt zurecht wie ein Fremdkörper. Lediglich der Geliebte Edgardo erinnert mit Kilt und Plaid an den Handlungsort Schottland.
Die ideenreiche Phantasiewelt der Regisseurin und ihres Teams wirkt in den Ansätzen schlüssig, doch entwickelt sich kein prickelnder Spannungsbogen. Die melodienreiche Musik setzt auf das Beziehungsdrama, das sich hier auf der Bühne nicht wirklich entwickelt.
Sesto Quantrini steht anstatt Asher Fisch, Musikdirektor der Festspiele am Pult des Orchesters der Tiroler Festspiele. Sicher. eher mit Bedacht führt er das Orchester. Mit Gespür formt er die tragenden Melodien In Bezug auf Dramatik wäre mehr möglich gewesen.
Herausragend wird der Abend durch die Leistungen der Sänger, allen voran Sara Blanch als Titelheldin. Von der Regie umfangreich bedacht, muss sie auch jede Menge Körpereinsatz liefern. Dazu ist diese Partie herausfordernd und Messlatte für viele Diven. Die Katalanin überzeugt mit reinen Höhen, perlenden Koloraturen und schöner Legatokultur. Mühelos und klangschön gestaltet sie die Wahnsinnsarie, nuanciert setzt sie die Töne und kann dabei auch noch die hektischen Pflegerinnen um sich ertragen. Kang Wang zeigt sich als strahlender ungestümer Edgardo, der feinfühlig Lucias Liebe erwidert und streitbar für diese kämpft. Mit dunklem Timbre setzt er breite kraftvolle Melodien, die seine Emotionen fühlbar machen. Seinen Erzfeind, und ruchlosen Bruder Lucias, Enrico setzt Lodovico Filippo Ravizza überzeugend in Szene. Seine bösen Absichten schimmern auch in seiner Stimme durch. Sehr cantabel zeigt sich die Bassstimme von Adolfo Corrado als Raimondo. Als Vertreter Gottes verleiht sie ihm Autorität als auch huldvolle Würde.
Nach anfänglichen Unsicherheiten erfreut auch der Chor der Tiroler Festspiele mit wirkungsvollen Auftritten und harmonisch abgestimmter Stimmführung.
Großer Jubel für die Sänger im vollen Festspielhaus und höflicher Zuspruch für das Regieteam.
Dr. Helmut Pitsch
29. Dezember 2025 | Drucken
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