Teatro la Fenice Turandot - Es war einmal...ein Märchen

Xl_img_1500 © Marina Crosera
Bunt und prächtig ist das Publikum in Venedig am Vorabend der Eröffnung der 58. Biennale, dem weltgrößten allumfassenden Kulturevent. In den Giardini und im Arsenale sowie in zahlreichen Palästen tummeln sich bereits unzhlige Kunstinteressierte und Fachleute, um die vielschichtigen künstlerischen Ideen zu dem diesjährigen Motto "May you live in interesting times" zu entdecken und darüber zu berichten. Das Teatro La Fenice steht hierbei nicht im Fokus aber als künstlerische Kultstätte verbindet das Theater seine Opernsaison mit einer glanzvollen Premiere von Giacomo Puccinis mit den weltweit beachteten Spektakel der Biennale. Die Neuinszenierung von Puccinis letztem und unvollendeten Werk wurde der jungen italienischen Regisseurin Cecilia Ligorio übertragen. Zusammen mit der Bühnenbildnerin Alessia Colosso und Kostümbildnerin Simone Valsecchi greift sie als ihr Konzept die erste Werksangabe aus dem Libretto auf " Peking in Zeiten der Märchen". Und als Märchen wird die Geschichte vom Helden Calaf und seiner Liebe zur eisigen unnahbaren Prinzessin Turandot erzählt. Auch die tragische Liebesgeschichte der aufopfernden Sklavin Liu als dem guten Geist der Erzählung wird hineinverwoben. Wie ein aufgeschlagenes kunstvoll verziertes Märchenbuch aus dem 19. Jahrhundert ist die Bühne umrandet. Es entsteht beim Betrachter des Gefühl er schaut eine bebilderte Seite im diesem Buch an und wird in das Geschehen wahrlich mithineingezogen. Denn die statischen Bilder fangen zu leben an. Dunkel ist der erste Akt gehalten, in einheitlichen Anzügen, wie im kommunistischen China, stellt sich der umfangreiche Chor auf der Bühne als das Volk Pekings auf. Der Kolbe Childrens Choir kommt in kurzen Hosen und Hemden in weiss dazu. Beide sind bestens von Claudio Marino Moretti und Alessandro Toffolo einstudiert. Kalaf in dunklem langen Mantel mit Pelzkragen wirkt wie ein mongolischer Nomade. Sein Vater Timur erscheint ebenfalls dunkel und einfach gekleidet mit Liu. Alle treten zuerst ausserhalb des Bücherrahmens auf und klettern dann in das Märchenbuch, um ihre Rolle einzunehmen. Im zweiten Akt reihen sich die Kinder um die kühle Prinzessin in ihrem dunklen Umhang mit bodenlangem weissen Zopf. Zu den Rätseln schneit es malerisch, sodass man mit den Kindern in ihren Shorts Mitleid bekommt. Aber dies ist nicht der einzige logische Bruch. Ping, Pang und Pong, alle drei in roten Anzügen mit kniehohen Stiefeln, streifen nach ihrem grossen Auftritt zu Beginn des zweiten Aktes drei Kindern rote Frackröcke über und überlassen ihnen das Geschehen. Ein stimmungsvoller Sternenhimmel aus zahlreichen gedimmten Lichtern wird zur Szenerie im dritten Akt. Für das Liebesduett aus der vollendeten Fassung von Franco Alfano treten Calaf und Turandot aus dem Buch heraus und singen an der Rampe. Zum Schluss bleibt nur Turandot ausserhalb des Buches übrig als symbolischer Sieg der ewigen Liebe. Zumindest im Schlussbild wird die Bühne hell erleuchtet und ein strahlendes Ende ist besiegelt. Insgesamt eine ruhige unspektakuläre eher intim gestaltete Inszenierung, die auf grosse Effekte und militärische Aufmärsche und Massenszenen verzichtet. Ebenso aber auch auf eine einfühlsame abgestimmte Personenregie, welche eher in grossangelegten statischen Bildern steckenbleibt. Dagegen greift Maestro Daniele Callegari am Pult des Orchestra del Teatro La Fenice tüchtig in die Farbtöpfe und lässt es richtig vollmundig und mächtig klingen, wenn das Volk zu Beginn Kaiser und Prinzessin verehrt und der junge Prinz aus Persien mit Mitgefühl überschüttet wird. Hier triumphiert lautstarke Dramatik, welche in lyrische hochromantische Stimmungsbilder abgleitet, wen Kalaf auf seinen Vater und Liu trifft. Aber dort verweilt das Orchester nur kurz. Das Tempo ist gut gewählt und nicht zu schnell, Sänger und Musiker können sich gut in ihren Rollen wiederfinden. Oksana Dyka zeigt die Grösse ihrer Stimme, kräftig und viel Dramatik lässt sie zu, sicher und sehr klar in Aussprache und Intonation schafft sie die anspruchsvolle Partie ohne Hysterie oder schneidenden Töne. Einem aussergewöhnlichen Charakter gibt sie eine aussergewöhnliche ja märchenhafte Erscheinung. Walter Fraccaro bleibt als Calaf zu laut und wirkt so gepresst. Er lässt sich kaum zu nuancenreichen und lyrischen Gesang hinreissen und schreitet als wagemutiger fordernder Prinz voran. Carmela Remigio leidet einfühlsam und unterwürfig als Liu und bietet in ihrer grossen Arie an die Prinzessin einen farblich hörbaren Gegensatz. Simon Lim ist ein sicherer aber farbloser Timur. Marcello Nardis ein ehrwürdiger, demütig gealterter Kaiser, der menschlich und verwundbar wirkt. Alessio Ardini, Valentino Buzza und Paolo Antognetti ergänzen sich ausbalanciert und gut ausgewählt als die umtriebigen Minister Ping Pang und Pong. Das Publikum zeigt sich zufrieden und spendet ehrlichen verhaltenen Beifall auch für das Regieteam ohne in italienische Bravibegeisterung zu verfallen. Dr. Helmut Pitsch | Drucken

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