Staatsoper Wien Dauerbrenner Tosca mit neuer Sängergilde

Xl_tosca-wien-2019 © Wiener Staatsoper Michael Pöhn

Unglaubliche 606 mal gespielt begeistert die Inszenierung von Margarethe Wallmann immer noch das traditionelle Opernpublikum, die Abonnenten sowie die zahlreichen wechselnden internationalen Gäste, die ihren Aufenthalt in der österreichischen Kulturmetropole mit dem Muss eines Opernbesuches verbinden. Täuschend echt barock wirkt das üppige Bühnenbild, die Kirche Sant' Andrea della Valle protzt mit Heiligenfiguren und Balustraden, der Palazzo Farnese erschlägt mit wuchtigen Möbeln und die Engelsburg strotzt mit dicken Mauern. Dazu schlüpfen die Sänger in Brokatgewand und lange Kleider mit Schleppe. So bemerkt stehen eben diese sich abwechselnden Sänger mit ihren Stimmen bei jeder Wiederaufnahme dieser hitverdächtigen meisterhaften Oper Giacomo Puccinis im Mittelpunkt.

Bei der diesjährigen Besetzung lassen einige Rollendebüts besondere Erwartungen aufkommen. Zum ersten Mal singt der mittlerweile zum Weltstar gereifte Pole Piotr Beczala die Rolle des Mario Cavaradossi, jener talentierte revolutionäre Maler, dem die uneingeschränkte Liebe der gefeierten aber auch eifersüchtigen Sängerin Tosca gilt. Die singt und besonders spielt diesmal Sondra Radvanovsky zum ersten Mal in Wien. Thomas Hampson kehrt nach längerer Pause wieder in der Rolle des verhassten Richters Scarpia als gefeierter Charakterdarsteller auf die Wiener Bühne zurück. Intelligent und behutsam baute Piotr Beczala seine bisherige internationale Karriere auf und ist weltweit ein gefragter Tenor sowohl im lyrischen aber auch schon im dramatischen Fach. Seine sichere Höhen, sein slawischer Schmelz aber auch seine breite kraftvoll unterlegte Mittellage und wohl intonierte Tiefe lassen wenig Wünsche offen. Wohl hält er seine Reserven an diesem Abend bis zum grossen Auftritt im dritten Akt mit der grossen Arie "E lucevan le stelle" zurück, lässt aber bereits seine Victoria Rufe mächtig voller Inbrunst in das ausverkaufte Haus strömen. Berühren gelingt der Amerikanerin Sondra Radvanovsky in ihrer grossen Arie Vissi d'arte. Diese Tosca kann kämpferisch, zickig aber auch entwaffend ehrlich und weiblich sein. Auch wenn ihre Höhen nicht silbrig leicht, mitunter zu tief intoniert klingen, in der Mittellage besticht ihre dunkle samten und voll unterlegte Sopranstimme und verströmt Wärme und Glut. So treibt sie die Spannung im zweiten Akt spielfilmreif zum Höhepunkt. Mit einem wahren Ausbruch von Gefühlen sticht sie auf den verhassten Gegenspieler Scarpia ein und verschafft sich so die nötige Genugtuung. Ihren Todesrufen folgt der elegant und sonor gealterte Thomas Hampson schauspielreif. Zuvor aber begeistert er mit einer mitreissenden Interpretation des machtbesessenen, vor nichts zurückschreckenden Tyrannen, der alles, so auch Tosca besitzen möchte. Seine Stimme zeigt sich wieder in guter Form. Ryan Speedo Green zeigt eine ausgeglichene Leistung als Angelotti, Alexandru Mosiuc steuert routiniert seinen Messner bei.

Marco Armiliato führt verlässlich und sicher das Orchester, weiss mit den Sängern zusammenzufinden und nutzt die Orchesterpassagen für kraftvollen und dramatischen aber auch gefühlsgeladenen Beweis des instrumentalen Könnens. Verdienter ausgiebiger Jubel für diese aussergewöhnliche Wiederaufnahme einer vermeintlich ausgedienten Inszenierung, die immer noch als Rahmen die richtige Scheinwelt hervorbringt. 

Dr. Helmut Pitsch

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