Rolando Villazon greift für Rossini in Salzburg üppigst in die Ideenkiste aber doch nicht zuviel des Klamauk

Xl_img_6830__002_ © Monika Rittershaus

Gioachino Rossini Il Barbiere di Siviglia Salzburg Pfingstfestspiele 5.6.2022

Rolando Villazon greift für Rossini in Salzburg üppigst in die Ideenkiste aber doch nicht zuviel des Klamauk 

Während des Karnevals in Rom kam es 1816 zur Uraufführung dieser Opera buffa von Gioachino Rossini, welche in kürzester Zeit entstand. Dabei bediente sich Rossini bei seinen bestehenden Werken.

Maskierung bzw Verkleidung stehen auch im Mittelpunkt der Handlung der Oper Il Barbiere di Siviglia. Sind dies ja die Mittel, die Graf Almaviva anwendet, um seine geliebte Rosina aus den Fängen des misstrauischen Vormunds Don Bartolo zu entreißen. Dieser begehrt auch die Hochzeit mit seinem Mündel, auf dessen Reichtum er ein Auge geworfen hat. Figaro, der muntere freche Barbier der Stadt hat bei dem erfolgreichen Begehren des Grafen kräftig seine Hände im Spiel.

Die hat auch der Regisseur dieser Neuinszenierung Rolando Villazon. Der Mexikaner stand viele Jahre erfolgreich auf allen bedeutenden Opernbühnen und ist in den letzten Jahren als Kulturmanager und Opernregisseur erfolgreich. 

Sein Hang zur Komik und sein darstellerisches Talent sind weltbekannt und beliebt. Als Clown und Strassenkomödiant soll er unter anderem vor seiner Gesangskarriere gearbeitet haben. Diese Charakterzüge finden sich in dieser gelungenen erträglich überladenen aber ausgesprochen komischen Regiearbeit wieder. Unglaublich gestaltet sich die Vielfalt seiner Ideen, die sich trotz zahlreicher Ungereimtheiten mit der Vorlage geschickt zusammen fügen. Allen voran kreiert er eine weitere stumme Hauptperson Domenica la Forza, die omnipräsent die Handlung in unterschiedlichen Rollen begleitet und wie der Name sagt, dies schicksalhaft. Er arbeitet in einem Filmstudio und vergöttert die Filmdiva, die sich als Cecilia Bartoli, die hier die gefangene Rosina darstellt ergibt. Originelle Filmeinspielungen führen zur Ouvertüre ein, die dabei an ihrer Wirkung verliert.

Film und Realität wechseln ständig ab bzw gehen ineinander über, wenn die Darsteller quasi aus der Leinwand auf der Bühne erscheinen. Bemerkenswert ist die Harmonie und verblüffend die geglückte Verschmelzung der Ebenen. So sehen wir Graf Almaviva als Zorro mit seinen Kompanen auf Zelloloid in s/w, da erscheint er mit seinen mexikanischen Musikern auf der Bühne von Harald B. Thor gestaltet und liefern ihr Ständchen. Auch andere Filmhelden halten Einzug. Don Basilio erscheint zuerst im Schattenbild furchterregend als Nosferatu mit langen Fingernägeln und großen Ohren. Phantasievoll ästhetisch sind die Kostüme von Brigitte Reiffenstuel. allgegenwärtig sind die trickreichen ulkigen oft überzogenen Ideen des Regisseur. Rosina lebt im Vogelkäfig, sinnhaft ihre Gefangenenschaft abbildend. Figaro nutzt einen Roller um sich fortzubewegen oder Don Basilio vergnügt sich zur Abwechslung im benachbarten Puff. Auch an der Partitur wird Hand angelegt. Stilvoll und sehr wohl dosiert. So erklingen auch Melodien aus der Pate. Villazons Handschrift ist am ausgeprägtesten in der Personenregie. Hier wird emsig agiert, sehr zum Vergnügen der durchgängig ausgezeichneten Darsteller. 

Nicola Alaimo in der Titelrolle versteht es bestens seine korpulente Figur auch komisch in Szene zu setzen. Dabei präsentiert er Beweglichkeit und Bewegungstalent. Stimmlich zeigt er sich in Bestform. Munter schmettert sein Bariton die Arien, gefühlvoll verleiht er ihnen Farbe mit Timbre unterlegt. Ideenreich hilft er Edgardo Rocha als Conte Almaviva zu seiner Angebeteten. Der junge südamerikanische Tenor gewinnt nach anfänglichen Ungereimtheiten in der Höhe an souveräner Stimmführung, zeigt feine weiche Ausdruckskraft in den Spitzen und lässt auch Koloraturen perlen. Im Spiel ist er mit lockerer Begeisterung dabei und fühlt sich taktsicher in Schritten und Gesten. 

Vor 36 Jahren starte sie in der Rolle der Rosina ihre Bühnenlaufbahn und noch immer überzeugt Cecilia Bartoli in dieser jugendlichen Rolle. Ihr Koloraturen sitzen fest und sicher, auch wenn sie mit hoher Konzentration nicht mehr so locker aus der Kehle sprudeln. Zumeist hält sie ihre Stimme schonend zurück. Ihr komisches Talent darf sie in dieser Regie auskosten. Nicht nur das Publikum kann herzhaft schmunzeln, auch auf der Bühne ist die gute Stimmung spürbar.

Die übermäßige Vorsicht Don Bartolos war der ursprüngliche Titel der Oper. Alessandro Corbelli verkörpert den von Vorsehung und Vorsicht getriebenen Vormund Rosinas. Als eleganter Edelmann, Arzt und sich überschätzenden Spitznub gelingt ihm eine wohldosierte Rollendarstellung getragen von einer sicheren und nuancierten stimmlichen Leistung. 

Der Hingucker des Abends ist Ildebrando D‘Arcangelo als Don Basilio. Von der Regie als Spiegelbild Nosferatus mit langen Fingernägeln und großen Händen und Ohren gestaltet fühlt er sich in dieser Verkleidung sichtlich wohl und kostet jeden Auftritt humorvoll aus. Stimmlich passt er sich an und kann auch gespenstisch wirken. 

Arturo Banchetti übernimmt die stumme Rolle des von Rolando Villazon geschaffenen Filmliebhabers und Bewunderer der Diva, der mit seiner unglaublicher Verwandlungskunst das  Konzept des Regisseur trägt. Nicht nur in Kostümen sondern auch in Ausdrück und Gestik wechselt er fließend seine Erscheinung. In seinen Verrenkungen und slapstickartigen Einlagen frischt der die altbekannte Handlung auf und führt diese neuen Eindrücken zu. 

So verläuft der Abend unter dem Dirigat von Gianluca Capuano am Pult von Les Musiciens du Prince Monaco in flotten Tempi trickreich und als Feuerwerk von Ideen, die er musikalisch auf hohem Niveau umsetzt. Der Philharmonia Chor Wien ist bestens von Walter Zeh vorbereitet und fügt auch im Spiel freudig ein.

Der frenetische begeisterte Applaus wird von einem Geburtstagsständchen für Cecilia Bartoli der künstlerischen Leiterin der Pfingstfestspiele unterbrochen, um danach noch mehr aufzukeimen. 

 

Dr. Helmut Pitsch

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