Premiere Tosca in Innsbruck Gekünstelt originell aber das Regieteam verfehlt das Thema

Xl_20e3cded-fa5f-4e23-af4d-e4dee5075b1f © Birgit Gufler

Giacomo Puccini Tosca Tiroler Landestheater Innsbruck Premiere 11.6.2022

Gekünstelt originell aber das Regieteam verfehlt das Thema

Johann Görg hat sich für das Bühnenbild viel einfallen lassen aber ein zugemülltes Künstleratelier, noch dazu in einem Museum, passt nicht zu Text und Handlung im ersten Akt. So witzig noch das blonde Modell im Atelier aufreizt, oder Angelotti wirklich sich in Frauenkleider schwingt, aber woher kommt der Messdiener als Museumswärter, die Rokokokapelle und erst recht der Gottesdienst und das pompöse Spalier der Gläubigen. Eine Bücherverbrennung soll hier noch die Dramatik am Ende des ersten Aktes steigern.

Thilo Reinhardt hat schon öfters am Tiroler Landestheater inszeniert und auch provokant Opernstoffe umgesetzt. Aber diese Tosca erreicht keine zündende Wirkung. Giacomo Puccini wurde bei der Komposition des Stoffes vor dem geringen aber effekthaschenden Inhalt gewarnt, Thilo Reinhardt und sein Team ist in diese Falle getappt, während Puccinis Musik zum unumstrittenen Welthit wurde. Katharina Gault liefert die modernen etwas ausgefallenen Kostüme, die besonders für die Titelfigur vulgär wirken und Tosca eher zum sexbessenren Vamp als zur weiblichen Ikone zeichnen. Ebenso schablonenhaft wird Scarpia zum biederen Geschäftsmann im Anzug mit Krawatte mit einem gequälten Sexualdrang, den er am Ende nicht erfüllen kann und mit seiner Figur eher Mitleid erheischt. Eines der wenigen starken Bilder an dem Abend. Sein Pallazzo Farnese ist ein Fernsehstudio, steril blau ausgemalt. Der Tyrann agiert nach den Kameras heischend und hält zwischendurch auch selbst alles fest. Aber Folterszenen vor laufenden Kameras und Spolettas stolz gezeigte Zange wirken eher kabaretthaft. Die überstürzte Flucht aller mit den entbehrlichen Koffern zu den gelungenen Victoria Rufen nehmen auch dieser musikalisch herrlichen Szene jede Kraft. Da tut auch der tote Angelotti, in Frauenkleidern auf die Bühne gezerrt, nicht mehr weh. 

Zum dritten Akt kann nur der Kopf geschüttelt werden. Stumpfsinnig wird von der Regie auf Ulk geblödelt, sodass die Spannung und Theatralik nicht mehr greift. Die vermeintliche Inszenierung der Hinrichtung Cavaradossus verleitet die Regie zu Darstellung eines Theaterstücks. Tosca schleicht zu Beginn in Maske vor dem Vorhang und zum Vorspiel sehen wir sie an ihrem Schminktisch. Noch überlegt sie welches Kleid, welche Perücke passen würde. Gleichzeitig verwandelt sich die leere Bühne zu einem griechischen Tempel in Ruinen. Ein Hirt mit Schaf tritt auf. Tosca im üppig höfischem Brokatkleid mit Halskrause im Stil des 18. Jahrhunderts zieht mühsam weitere Kulissen mit Seilen auf die Bühne. Nun kommt noch erwas Engelsburg dazu. Wir wechseln die Zeit und landen am Beginn des 19. Jh. Der gefolterte Mario muss die Kleider dazu passend wechseln und Tosca streut Stroh für die Hinrichtung. Es wird noch weiter herum gespaßt, bis die Soldaten in historischen Uniformen dem ganzen ein Ende setzen. Tosca muss nicht springen. Schüsse erlösen das Publikum. Tosca bricht nach mehreren Salven am mittlerweile zugezogenen Vorhang krampfhaft festhaltend zusammen.

Musikalisch erscheint auch Lukas Beikircher wenig inspiriert und kann die szenische Leere nicht füllen. Schleppend zieht er das Orchester durch die Partitur, Die Vollkommenheit der großen Arien Vissi d‘arte oder Lucevan le stelle blüht nicht romantisch auf. Aurelia Florian ist eine Tosca ohne Farbe mit übersteuerter Sopranstimme. Zu laut zu kräftig kommen die Spitzentöne, die Mittellage erscheint gefühlskalt. Alejandro Roy schraubt zu Beginn an den hohen Töne, begeistert anschließend mit vollmundigem Tenor und Strahlkraft in dem Spitzen als Mario Cavaradossi. Daniel Luis de Vicente als Scarpia wird von der Regie ob seiner Körperfülle vergewaltigt. Im Unterhemd und später in schwarzer Unterhose nach gescheiterter ungelenker Vergewaltigung steht er wie der geschlagene Tor da- wirkungsvoll zu Toscas Worten „vor ihm fürchtete sich ganz Rom. Erst mit dem letzten Akkord fällt ihr Todesschuss. Stimmlich drückt der Bariton wenig Böses oder Obsession aus. Neutral elegant bietet er die Rolle als vermeintlicher Gutmensch an.

Höflicher Applaus, der sich auch nicht gegen zahlreiche Buhs für das Regieteam auflehnt.

Dr. Helmut Pitsch

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