
Giuseppe Verdi Un Ballo in mascera Teatro San Carlo Neapel 11.10.2025
Neapel San Carlo - Starbesetzung in bunter traditioneller Kulisse
Aufwendig und bunt in traditioneller Ausstattung mit wenig lebendiger Personenregie kann die Regiearbeit von Massimo Pizzi Gasparon Contarini für die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Oper Un Ballo in mascera zusammengefasst werden. Der Italiener und sein Team versuchen die zwei Versionen der Oper, die Verdi aufgrund der Zensur verfasste, zu vereinen. Wir erleben den Titelheld Riccardo als Graf in Boston, mit Union Jack aber in königlichem Ambiente eines Gustav III von Schweden der Orginalversion im Bühnenbild, auf Basis einer wahren Begebenheit nachempfunden. Mit stimmungsvollen Lichtstrahlen im Stiegenhaus und Gangfluchten des Königsschlosses von Caserta in der Nähe Neapels erleben wir das erste und letzte Bild, dazwischen romantisierte Naturbilder in s/w an Caspar David Friedrich erinnernd.
Aufwendig sind die farbigen Kostüme der Mode des 1800 Jahrhunderts angelehnt, mit barocken Perücken, bestickten Westen und Umhängen. Gekünstelt übertrieben sind die gequält witzigen Höflinge und manch choreografische Einlagen wie liebestolle nackte Tänzer und Tänzerinnen als Begleiter von Ulrica, die mit ihrer wüsten üppigen grauen Perücke alles andere widerspiegelt. Schleppend sind die Auftritte des bestens sehr harmonisch abgestimmt singenden Chores, die Sänger treten zumeist für ihre Arien an die Bühnenrampe, wenig Spiel ist ihnen von der Regie zugewiesen.
Dafür kann sich das Publikum an sängerischer Spitzenleistung in imposanten Bildern erfreuen. Mit Piero Pretti steht ein ausgezichnet disponierter Riccardo auf der Bühne. Gut verteilt er seine stimmlichen Reserven, ist sehr präsent mit vollendeter Legatokultur und bettet seine Stimme in weiches Timbre ohne selbst in forte Spitzentönen zu pressen. Mit viel Gefühl und Schmelz trägt er seine Arien vor.
Formvollendet und mit gewohnt leicht fließenden Melodien steht ihm Anna Netrebko als seine angebetete aber unerreichbare Amalie zur Seite. Wunderbar gestaltet sie mit vokaler Leuchtkraft und Sinnlichkeit ihre Verzweiflung zwischen Zugewandtheit dem Geliebten und ehelicher Treue. Gehaltvoll ist ihre dunkle Tiefe, berührend die perfekt sitzenden Spitzentöne.
Den herzlichsten und umfangreichsten Szenenapplaus erhält aber Ludovic Tezier als ihr vermeintlich gehörnter Ehemann Renato. Vergeblich sind die Bitten des begeisterten Publikums mit ihren Rufen nach Wiederholung seiner Arie. Charismatisch ist seine Bühnenpräsenz, edel seine sängerische Ausgestaltung, berührend seine satte volle Baritonstimme, die er nuancenreich vorführt.
Elizabeth DeShong ist eine mystisch markige Ulrica, die ihre Szene auszufüllen weiß. Cassandre Bethon ist ein zarter Page Oscar mit perlenden Koloraturläufen.
Energisch kraftvoll mit Genuss führt Pinchas Steinberg das Orchester und den Chor des Teatro San Carlo. Der Routinier setzt auf klare Linie und Schwung. Gehaltvoll fächert er den Orchesterklang auf ohne die Sänger zu bedrängen. Aufmerksam und engagiert überzeugen die Musiker.
Nicht enden wollend ist der Beifall, lebendig und freudig erregt der Schlussapplaus für diesen musikalisch grossartigen letzten Abend des Premierenzyklus dieser Neuinszenierung. Mit "Finalemente Verdi" quittierte erleichtert ein begeisterter Zwischenrufer treffend diesen Abend.
Dr. Helmut Pitsch
14. Oktober 2025 | Drucken
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