Maskenball in München - ein (Zerr) Spiegelbild

Xl_04 © Winfried Hösl

 

Komplett dunkel ist es im Münchner Nationaltheater. Zu den Klängen der Ouvertüre trennen lange transparente Vorhänge die Bühne vom Zuschauerraum. Auf ihnen werden Szenen eines Maskenballs projiziert. Durch die Vorhänge hindurchgeschaut erkennt der Betrachter Riccardo auf seinem Bett liegend, eine Nachricht verfassend und dann mit einem Revolver spielend. So beginnt die Inszenierung „Eines Maskenballs“ von Giuseppe Verdi durch Johannes Erath. Täuschungen und Spiegelungen überschreibt er seine Notizen zur Inszenierung im Programmheft. Dem entspricht auch die Bühnengestaltung von Heike Scheele. Eine breit geschwungene Treppe füllt den gesamten Bühnenraum effektvoll aus und reicht bis zur Decke. Diese spiegelt den Boden wieder. Dasselbe schwarz weiße Bodenmuster als auch schwarze Bett findet sich auf der Decke wieder. Schwarz weiß sind die dominierenden Farben des Abend synonym für Realität und Spiegelung. Gesine Völlm steckt die Herren in Frack mit Zylinder und die Damen in elegante lange schwarze Kleider. In den Spiegelungen sieht der Regisseur auch Zerrbilder, die den Ablauf der Handlung prägen. Trauer und zynisches Lustspiel reihen sich abwechselnd aneinander, wahres Theaterleben wird lebendig. Insgesamt entwickelt sich aus den Gesten ein an das Musical Cabaret angelehntes Ambiente. Geschickt nutzt der Regisseur das, den gesamten Abend gleich bleibende, Bühnenbild, um die Dreiecksgeschichte um Riccardo, einem unausgelasteten wilden  Grafen, Renato seinem treu ergebenen Freund und dessen einsamen Frau Amelia. Intensiv kniet sich Johannes Erath in die Zeichnung der drei Charaktere und schafft so ein dichtes Melodram. Ohne Pausen steigert sich die Spannung wirkungsvoll, die Situationen wirken schlüssig und die Emotionen folgen logisch der Handlung. Entstaubt vom Galgenberg oder einer einfachen Hütte der Wahrsagerin wirkt diese aber auch verfremdet. Immer wieder werden die Vorhänge zugezogen, immer wieder Videoprojektionen eingespielt. So werden Übergänge ohne Bruch sichergestellt. Nach dem Attentat erscheint Riccardo wie ein Geist, sein lebloser Körper am Boden gedoubelt, und er vergibt wohltätig seinem Freund und verabschiedet sich von seinen Kindern, Ulrica auf der Treppe nach oben folgend. Ein schönes Bild, Erlösung inklusive.

 

Schön auch die musikalische Gestaltung von Paolo Carignani. Er ist ein häufiger Gast am Pult des bayerischen Staatsorchesters und ein erfahrener Verdi Dirigent. Temporeich und wohldosiert in den Lautstärken schafft er immer wieder dichte Momente. Fein geschliffen das Cello Solo zur grossen Arie Amelias. Markig die großen Chorszenen mit dem richtigen Schuss Italianita.

 

Gut ausgewählt auch das Sängerensemble dieser Wiederaufnahme der Produktion aus 2016. Der Koreaner Wookyung Kim hat sich in den letzten Jahren technisch und auch in der Verständlichkeit gut entwickelt. Beeindruckend ist seine Stimmkraft bis in die Spitzentöne. Nahezu mühelos erreicht er diese auch im Piano und kann so ausdruckstark mit der Stimme arbeiten. Die Vokale intoniert er ab und an unsauber. Carmen Giannattasio gestaltet eine starke selbstbewusste Amelia, die auch über Mord nachdenkt. Berührend in ihre Arie als auch formschön und diszipliniert in den Duetts überzeugt sie. George Petean zeigt sich in bester Form als Renato. Kraftvoll schmettert sein Bariton auch hier Spitzentöne unverzerrt und vollmundig. Okka von der Damerau hat wiederum die Rolle der mystischen Ulrica übernommen. Ihr grosses Stimmvolumen in dunkler Färbung füllt die Rolle perfekt aus. Sofia Fomina hat bereits in der Premiere als Oscar viel Begeisterung hervorgerufen.

 

Spielfreudig und sicher dank wiederum bester Einstudierung durch Sören Eckhardt zeigt sich der Chor der Bayerischen Staatsoper.

 

Viel und langer Beifall vom sichtlich zufriedenem Publikum. 

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