Lucia Premiere in Wien - kühl nüchtern abstrakt ein Abend ohne Donizetti

Xl_img_1436 © Wiener Staatsoper Michael Pöhn

Warum gerade diese Regiearbeit von Laurent Pelly für die Oper in Philadelphia von Wien eingekauft wurde ist fraglich. In verschiedenen Interviews beschrieb der Regisseur seine Interpretation des Welterfolges von Gaetano Donizetti als Psychodrama um ein eingesperrtes, geistig verwirrtes und vom ebenso geistig verwirrten Bruder dominiertes Mädchen. Auch ihre grosse Liebe Edgardo nutzt sie nur für seine politischen Machtspiele. In der schwarz weiss gestalteten Umsetzung auf der Bühne vermisst der Betrachter aber all diese Überlegungen und sitzt drei Stunden vor einem durchgängig dunklen Bühnenbild des verschneiten schottischen Winters von Chantal Thomas gestaltet. Die hügelige Landschaft verwandelt sich verfremdend auch zum Innenleben des Palastes der Ashtons, der über transparente heruntergelassene Bühnenwände gefängnisartig angedeutet wird. Ein Farbtupfer wird der blutrote Teppich und eine Palastwand als billiger Effekt zur berühmten Wahnsinnsarie. Jegliche Personenregie fehlt und die Gestaltung der Kostüme ist einfallslos ein uniformiertes grau und die Männer in Gehröcke und Mäntel des 18. Jahrhunderts gesteckt. In diesem Umfeld kann sich die wunderbare farben- und gefühlsreiche Musik Donizettis nicht entfalten und unterbindet jede mögliche Spannung. In der düsteren abstrakten Atmosphäre ist es für die hervorragenden Sänger schwer, nahezu unmöglich Leben und Gefühle zu entfalten, wie sich auch am mageren Schlussapplaus ablesen lässt.

Am meisten hat darunter Olga Peretyatko zu leiden. In der für diese Aufführung gewählten kritischen Fassung der Oper fehlen die begehrten Spitzentöne und waghalsigen Koloraturen, die normalerweise als Spielwiese ihres Könnens von vielen Sopranistinnen ausgekostet werden. Hier erleidet die rührend dem Wahnsinn Verfallene ihren Zusammenbruch in stiller Mittellage in den Händen einiger Chormitglieder ohne das Potential ihrer natürlich frisch und feintimbrierten Stimme mit sicherer Höhe ausschöpfen zu dürfen. Schauspielerisch vermittelt sie Ansätze ihres Könnens in dieser statischen, dumm und stumpf wirkenden Personenregie. Ähnlich eingedampft darf Startenor Juan Diego Florez sein Können unter Beweis stellen. Immer mehr bewegt er sich vom Belcanto in Richtung lyrischer Tenor und tritt hier zu recht auch als Edgardo an. Gewohnt sicher trifft er die Höhen, ausdrucksstark führt er die romantischen Melodien über alle Lagen hinweg. Gegenüber einem gross besetzten Orchester bleibt seine Stimme zart und nicht ausreichend timbriert. Dafür erleben die Zuhörer wunderbar musizierende Wiener Philharmoniker, die unter Evelino Pido geführt, viel Farbe und detaillierte Darstellung ausstrahlen ohne kraftvolle Lautstärken zu liefern. So fest am Zügel gehalten entfaltet er die Musik Donizettis intim und wohl nuanciert und unterstützt die Sänger. Nicht wirklich überzeugt George Petean als intriganter Bruder. Sein Bariton wirkt gedrückt und angestrengt als ob er mit dem Tempo und der Sprungkraft der Partitur überfordert ist. Dafür schmettert Jongmin Park am Anschlag seines Basses als Raimondo. Er besitzt sicher viel Naturstimme, aber Farbe und Empfindung fehlen. Alles klingt gleich und italienische Sprachkenntnisse sind nicht erkennbar. 

Am Ende verhaltener Beifall, die meisten Bravi für Juan Diego Florez, für das Regieteam höfliche gespaltene Reaktionen. Es bleibt der fahle Beigeschmack, dass der Zuhörer das Potential der engagierten Klasse der Sänger in dieser einfältigen Regie nicht erleben durfte.

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