Lucia in München Juan Diego Florez sprang ein und siegte

Xl_2022_lucia_di_lammermoor_n.sierra_c_w.hoesl__2_ © Winfried Hösl

Gaetano Donizetti Lucia di Lammermoor Bayerische Staatsoper 16.3.2022   

Lucia in München Juan Diego Florez sprang ein und siegte  

Die literarische Vorlage ist ein Roman von Walter Scott über eine tragische Liebesgeschichte zwischen zwei verfeindeten Familien, die an Romeo und Julia erinnert. Die Vertonung zu Lucia di Lammermoor durch Gaetano Donizetti führt zum Höhepunkt des Belcanto. Die Arie der Lucia, die durch das Verbot der Heirat mit ihrem geliebten Edgardo in den Wahnsinn getrieben wird, zählt zu den Besten der romantischen italienischen Oper und zu den Glanzstücken von Sopranistinnen.

Lange war diese seine 46. Oper, das einzige Werk, das in den Spielplänen der Opernhäuser verblieb. Erst in den letzten Jahrzehnten erleben wir eine Renaissance seiner Kompositionen. Die Wiederaufnahme der in 2015 entstandenen Inszenierung wird zum würdigen Belcantofest. Der kurzfristig für Xabier Anduaga eingesprungene Juan Diego Florez zählt derzeit zu den besten Tenören seines Faches und hat das eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Sicher und in feinsten Tönen, herrlich getragenen Melodiebögen und schwungvollen Höhen zeigt er keine Makel. Der letzte Akt ist ganz dem Leid des unselig Geliebten und Verliebten gewidmet, sodass diese Oper auch zu einer Tenoroper geworden ist und das unterstreicht der Peruaner mit einer mitreißenden berührenden Schlusszene, die zu Tränen rührt.

Nadine Sierra in der Titelrolle beginnt mit Schwächen, Koloraturen verrutschen und die Intonation ist unsicher aber sobald Juan Diego in der Nähe ist; wird sie mitgerissen und  läuft zu Bestform auf. Bedauerlich sind ihre marginalen Italienisch Kenntnisse, sodass keine Wortverständlichkeit gegeben ist und auch der Ausdruck im Spiel abfällt. Aber die Emotionen sitzen und die grosse schlanke Amerikanerin weiß die berühmte Wahnsinnsarie filmreif mit dem gezückten Revolver in Szene zu setzen. Andrzej Filonczyk ist ein jugendlicher schön singender Enrico Ashton. Doch fehlt ihm die gehässige Brutaltät und Bissigkeit des Bruders, der seine Schwester für seine Machtinteressen missbraucht. Granit Musliu lässt mit einem kräftigen lyrischen Tenor voller Farbe als Arturo aufhorchen. Riccardo Zanellato gestaltet einen würdigen mitfühlenden Raimondo.

Viel gestalterischen Einfluss nimmt Evelino Pido am Pult des Bayerischen Staatsorchester. Streng treibt er die Musiker immer wieder in feinste Piani, wird laut, aber ohne Härte und bildet harmonische Melodien und romantische Klangfarben. Viele Details kommen markant zum Tragen und selbst in Massenszenen lässt er jede Stimme hörbar erscheinen. Präsent und fein abgestimmt singt auch der Chor, von Stellario Fagone bestens einstudiert.

Barbara Wysocka hat eine klare stringente Inszenierung geschaffen. Bereits am Bühnenbild von Barbara Hanicka, ein eleganter Raum, der als Festsaal und Büro in barockem Ambiente dient, ist der wirtschaftliche Verfall der Ashtons, aber auch die zerstörerische Intrige ablesbar. Modern elegant sind die Kostüme im Stil der 60iger gestaltet, Edgardo darf im flotten Strassenkreutzer im Saal vorfahren, den er später an die Wand fährt. Im silbernen enganliegenden Glitzerkieid verfällt Lucia dem Wahnsinn, Hollywoods oberen Zehntausend nachempfunden; im Hintergrund wird theatralisch groß das Gesicht ihres Geliebten im Stil James Dean an die Wand gebeamt.

Großer Jubel und stehende Ovationen. Das Publikum feiert die Sängerriege und die Musiker.

Dr. Helmut Pitsch

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