Longborough - Großes Musiktheater auf höchstem musikalischem Niveau mit Picknick auf dem Lande

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Richard Wagner Götterdämmerung Longborough 4. Juni 2033

Longborough - Großes Musiktheater auf höchstem musikalischem Niveau mit Picknick auf dem Lande

Der Vergleich mit Bayreuth ist unvermeidlich. Auch Longborough ist geprägt von einer persönlichen Bestimmung und familiären Mission. Dort Wagner hier das Ehepaar Lizzie und Martin Graham, die mit unermüdlichem Fleiß und britischer Unbekümmertheit eine Festspielorganisation auf ihrem gemütlichen Anwesen in der herrlichen südenglischen Landschaft samt repräsentativen Festspielhaus aus dem Boden gestampft haben. Die Werke Richard Wagners prägen seit Beginn Ende des letzten Jahrtausends das Programm. Nunmehr steht mit der Neuinszenierung von Götterdämmerung der zweite Ring des Nibelung in der Festspielgeschichte dort vor seinem Abschluss. Eine künstlerische aber insbesondere wirtschaftliche und organisatorische Meisterleistung angesichts fehlender Subventionen.

Der Opernbesuch ist auch hier ein Gesamtkunstwerk aus Naturerlebnis, gesellschaftlichem Ereignis samt Picknick und Opernaufführung. Glücklicherweise ist der Wettergott noch lebendig und spendet viel Sonnenschein dazu.

Seit Jahren begleitet der Dirigent Antony Negus das Festival. Mit seiner mannigfaltigen Erfahrung und Wagner Expertise hat er das Festival und besonders das Longborough Festival Orchestra geprägt. Rhythmus ist für ihn von vitaler Bedeutung, die Integrität von Rhythmus und die Verbindung von dem Geschehen auf der Bühne und dem Orchester ist für ihn kennzeichnend. Orchestervor- und Zwischenspiele bekommen eine symphonische Ausdruckskraft mit detaillierter Ausgestaltung. Mit viel Aufmerksamkeit begleitet er behutsam die Sänger, gibt ihn Unterstützung in Tempo und Harmonie. Besonders beeindruckend ist die Sicherheit aller Instrumente allen voran den Bläsern, die Ton und Einsatz sicher treffen und strahlende Soli liefern.

64 Musiker umfasst das Longborough Festival Orchestra und überzeugt in Klangfülle und Farbenpracht. Viele Details werden transparent, Leitmotive treten gut bestimmt hervor und die Überlagerung von Stimmen gelingt fein ausgelegt. Gefühlvoll und präzise ist die Begleitung der Stimmen ohne Dominanz.

Erfreulich viel Textverständlichkeit  ist bei dem exzellenten britisch geprägten Sängerensemble zu erleben. Lee Bisset ist eine präsente stimmgewaltige Brünnhilde. Die Schottin mit fühlbarer Spielleidenschaft verleiht der Rolle viel emanzipierte Weiblichkeit, die sich gegen die Intrige Hagens kämpferisch stellt. Die übermächtige Dramatik ihres Sopran hält sie zumeist in Zaum und so gelingen auch sehr weich geführte Melodiebögen und eine mehr als überzeugende Leistung.

Der Australier Bradley Daley ist ein sicherer solider Siegfried. Hölzern leblos ist sein Spiel und sein Gesang mitunter brüchig ohne Melodieführung aber mit seinem vollen Timbre gut unterlegt. Sein Rollenbild gleicht mehr einem Farmer, wie mein Nachbar treffend bemerkt als dem unbesiegbaren Helden.

Julian Close überstrahlt als Hagen das Bühnengeschehen und ist ein markiger bestimmender Strippenzieher. Die dunkle mächtige Stimme des Briten durchdringt die Gefühlswelt der Zuhörer und lässt in Ehrfurcht erzittern. Das passt zu seiner gestisch ausgezeichneten Personenregie.

Gunther wird durch Benedict Nelson zum selbstbewussten Gibeching. Im Gesang und der Aussprache sicher versetzt er der Rolle mehr Gewicht als oft erreichbar. So auch Laure Meloy in ihrem Auftritt als Gutrune, die ruhig und bestimmt  auch Hagen entgegentritt. Ihr Sopran hat Gewicht und Volumen mit guter Intonation.

Freddie Tong darf in dicken Lumpen als der in der Düsternis hausende Schwarzalbe Alberich mit Glatzkopf erscheinen. Der in Hongkong geborene britische Bassbariton weiß daraus einen spannenden Auftritt zu machen. Mit mystischer Stimme und markigem Forte weckt er seinen Sohn Hagen und dringt hartnäckig in ihn. Dies schafft auch Catherine Carby als Waltraute, die den Besuch bei ihrer Schwester mit Bestimmtheit und in rettender Mission der Götter zu einem packenden Duett werden lässt.

Auch in den Nebenrollen gelingt eine sehr gelungene und stimmlich wohl ausbalancierte Besetzung. Die Nornen Mae Heydorn, Harriet Williams und Karie Lowe spinnen in dieser Inszenierung von Amy Lane keine Fäden, dafür senden sie die schicksalshaften Botschaften mit stimmlicher Farbenvielfalt.

Die Rheintöchter Mari Wyn Williams, Rebecca Afonwy-Jones und Katie Stevenson schimmern in hellen Glitzer in vornehmer Zurückhaltung.Verbleibt auch die überzeugende Leistung des Chores zu loben.

Die szenische Umsetzung von Amy Lane, die Leiterin des Kopenhagen Opernfestival ist bestimmt von einer intelligenten ästetischen fließenden Lichtregie von Charlie Morgan Jones. Das Bühnenbild besteht aus einem zentralen Bildschirm mit breitem Rahmen, den der Videodesigner Tim Baxter mit geschmackvollen ineinander übergehenden abstrakten Farbmischungen bespielt. Gletscher, Landschaften in unterschiedlichen Tagesstimmungen sind daraus ablesbar und bilden so die Handlung mit ab. An den Bühnenseiten dienen aufsteigende halbrunde Podeste für die verschiedenen Auftritte.

Es ist große Oper der Spitzenklasse, die hier auf dem englischen Landsitz durch ein hart arbeitendes sehr professionelles Team geboten wird. Der Geist und die Begeisterung aller Beteiligten ist zu spüren. So auch des Publikums, das heftig Bravi und Applaus spendet. In 2024 wird ab Mitte Juni dreimal der gesamte Ringzyklus geboten, ein auf jeden Fall lohnender Ausflug für alle Wagneranhänger.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

 

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