La Boheme in Kaunas - Große Gefühlsmomente

Xl_201a113f-8cd8-40f9-aa3d-f7d09375f4e6 © Martynas Aleksa

Giacomo Puccini La Boheme Musiktheater Kaunas 26.4.2025

La Boheme in Kaunas - Große Gefühlsmomente

Kaunas, die zweitgrößte Stadt von Litauen (350.000 Einwohner) besitzt eine bedeutende Geschichte, gilt sie als die älteste Siedlung des Landes und durfte sich zwischen 1920 und 1940 auch Hauptstadt während der ersten Unabhängigkeit von Russland nennen. Vilnius geriet in dieser Zeit unter polnischer Herrschaft. Das schmucke intime Opernhaus der sehenswerten Stadt (Kulturhauptstadt 2022) stammt aus 1898, unter zaristischer Herrschaft großzügig errichtet mit über 500 Sitzplätzen. Mehrmals wurde es renoviert und erglänzt jetzt in strahlendem weiss mit roter Samtbestuhlung. Die Saison läuft von September bis Juni mit einem Freiluftfestival Anfang Juli. Neben Oper stehen besonders Musical und Operette auf dem Spielplan des gut besuchten, beim Publikum beliebten Hauses.

Mit La Boheme von Giacomo Puccini gibt es zur Zeit eine Wiederaufnahme einer Neuinszenierung aus November 2024. Die in Litauen bekannte Schauspielerregisseuren Anzelika Cholina schuf in traditioneller Erzählweise eine lebendige Handlung, um die tragische Liebesgeschichte und lässt diese um die Jahrhundertwende zur Entstehung der Oper spielen. Marijus Jacovskis bebildert die Bühne gelungen mit wenig Mitteln und Requisiten und ermöglicht rasche Szenenwechsel. Die Dachkammer mit rückwärtiger Betonwand wird aus einer runden Luke geschickt erhellt. Tisch, Sessel, Bett und ein kleiner Ofen sind das schlichte Mobiliar. Gedeckte Farben dominieren im Paris der einfachen Leute. Nur Musette sticht im kräftig roten langen Kleid hervor. Der Chor steht aufgereiht auf der kleinen Bühne und überzeugt mit seinem kräftigen homogenen Klang. Das kleine Land im Baltikum ist berühmt für seine Gesangs- und Chortradition. Dies ist auch hier im Theater inklusive Kunderchor erlebbar. Ein dunkelrote Ziegelwand dient Marcello im dritten Akt als Arbeitswand.

Farbe, Schwung und viel Gefühl erhält der Abend aus dem Orchestergraben, der sich tief unter die Bühne friesst. Die Akustik des Hauses, sowie die Musiker hat Gintaras Rinkevicius bestens im Griff. Er ist Chefdirigent der litauischen Symphoniker und öfters Gastdirigent in Kaunas. Er versetzt der romantischen Oper veristischer Prägung eine temporeiche und gestalterisch nuancenreiche Dramatik. Trotz kräftiger Symphonik werden die Sänger bestens unterstützt und nicht zugedeckt. In der Darstellung scheint er sie vielmehr zu inspirieren.

Das junge Ensemble zeichnet sich durch Spielfreude und frische Stimmen aus und passt gut zusammen. Tomas Pavilionis ist ein zurückhaltender Rudolfo, der ehrliche Emotionen versendet. Sein schlanker Tenor hat sichere Höhe und lässt auch breite Melodiebögen zu. Mimi ist bei der selbstbewussten Raminta Vicekauskaite im Spiel gut aufgehoben. Von der Regie ist sie zur berechnenden Blondine mutiert, die selbst den Schlüssel zu Kammer versteckt, die Kerze ausbläst und den schüchternen Dichter wahrlich überrumpelt. Mit ihrem dunklen Sopran, der ins dramatische driftet wirkt sie nicht zerbrechlich und ihr Tod nicht zart überzeugend. Andrius Apsega ist ein flotter Marcello, der sich stimmlich gut gegen eine präsente Ingrida Kazemekaite als kecke aber ehrliche Musette stemmt. Joris Rubinovas erfreut mit einer stimmungsvollen Mantelarie als Colline. Raimondos Baranauskas ist ein sicherer Schaunard und rundet das bunte Künstlerquartett gut ab. Mit Zgymantas Galinis als munterer Benoit gelingt auch diese Szene unterhaltsam.

Mit bis zu 120 Musikern verfügt das Opernhaus auch über ein großes festes Orchester. Die Musiker zeigen unter der aufmerksamen und strengen Führung von Gintaras Rinkevicius ihr hohes Niveau und harmonisches Zusammenspiel.

Stehende Ovationen für einen erfrischend gelungenen Opernabend, der auch spürbar berührte.

Dr. Helmut Pitsch

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