Es geht wieder los! Münchner Gärtnerplatz startet mit Eugen Onegin nach dem Lockdown

Xl_1601986529_x_l10a8265eugenoneginhp1copychristianpogozach © Christian Pogo Zach

Es geht wieder los Münchner Gärtnerplatz startet mit Eugen Onegin nach den langen Monaten des Lockdowns

Es ist ein herrlicher Sommerabend, ein bayerisch blauer Himmel entfaltet sich über der Stadt. Bei etwas frischen Temperaturen versammelt sich die auserwählte Schar derjenigen, die es geschafft haben, eine Karte für die langersehnte und somit sehr begehrte Eröffungsvorstellung nach der monatelagen Schließung der Theater und Opernhäuser zu erhalten. Das nahegelegene Münchner Nationaltheater hat bereits tags zuvor euphorisch die Tore geöffnet. Nun folgt das traditionsreiche Gärtnerplatztheater mit einer szenischen Aufführung von Peter I. Tschaikowskys Eugen Onegin in der Inszenierung von Ben Baur, die noch im Oktober 2020 kurz vor der Schließung Premiere feiern konnte.

Und jetzt stehe ich vor dem ehrwürdigen klassizistischen Bau, der vor ein paar Jahren glanzvoll renoviert wurde und es kribbelt im Bauch und die Freude steigt in einem empor. Wer hätte vor ein paar Monaten gedacht, dass ein Theaterbesuch in einem solche Sehnsuchtsgefühle wecken könnte? Und dann betritt man nach einer höflichen aber genauen Kontrolle von Testergebnis, Ausweis und Eintrittskarte mit seiner FPP 2 Maske das Theater und atmet endlich wieder im so vermissten Ambiente die Luft, leider gefiltert, ein. Abstandsregeln und Sicherheitsmaßnahmen erlauben nur 30 % Auslastung, so bleibt es im Zuschauerraum locker besetzt, das Orchester sitzt mit gebotenem Abstand, die Musiker, Chor und Sänger dürfen aber ohne Masken ihre Aufgaben erfüllen.

Zu Beginn tritt der Hausherr Josef Ernst Köpplinger vor den Vorhang und bringt seine Freude aber noch mehr den Dank an seine Mitarbeiter und die Künstler zum Ausdruck, die es ermöglicht haben in so kurzer Zeit nach den Ankündigungen der Lockerung einen Spielplan zusammenzustellen und an das Publikum, das so motiviert fast alle Vorstellungen in Minuten aufgekauft hat. Ein symbolträchtiger Start in eine hoffnungsvolle bis auf weiteres ungetrübte Spielzeit.

Im Auftrag des Theaters hat Pjotr Alexandrowitsch Klimow die Orchesterfassung auf ein Kammerorchester reduziert – so können alle Auflagen eingehalten werden und die Aufführung umgesetzt werden. Dank des großen engagierten Einsatzes des Dirigenten Antony Bramall, der seine Musiker unermüdlich mich großen eindringlichen Gesten animiert, kommt voller und eindrucksvoller Klang und Spannung zusammen. Auch die Tempi sind gut gewählt, flott aber mit Raffinesse immer wieder reguliert, um insbesondere den Sänger Spielraum und Gestaltungsraum zu geben.

Ben Baur läßt seine Inszenierung nah dem Text des Versromans von Alexander Puschkin folgen. Wir befinden uns den Abend über im Gartenpalais der Larins, einem Adelsgeschlecht in der russischen Provinz und Nachbarn der beiden Freunde Eugen Onegin und Wladimir Lenski. Ein langgestreckte halbrunde Fensterfront ist von großen Fensterläden verdeckt, die sich ab und an öffnen und so für den Betrachter durch den Lichteinfall Tageszeiten erkennen lassen. Immer wieder wird ein Vorhang zugezogen, um die Bühne zu verkleinern. Wenig weitere Requisiten finden ihren Weg auf die zumeist dunkel gehaltene Bühne. Uta Meenen steckt die Sänger geschickt in auffrischende Kostüme, der Zeit der Komposition entsprechend. Dazu gibt es Blumenkränze oder edle Fracks um Land und Stadt zu differenzieren.

Die junge Larin Tatjana entflammt in feurige Liebe für den Dandy Eugen Onegin, der diese aber in ziemlich arroganter Tadelung zurückweist. Lenski ist in Tatjanas Schwester Olga verliebt. Am Geburtstag von Tatjana eskaliert die aufgeheizte Stimmung und endet mit dem tödlichen Duell zwischen den Freunden. Eugen Onegin irrt danach rastlos umher und trifft nach Jahren wieder bei einem Empfang seines Verwandten Fürst Gremin auf Tatjana, die inzwischen dessen Frau geworden ist. Die nunmehr in Eugen Onegin entflammte Liebe weist Tatjana stolz zurück.

Die in der Slowakei geborene Ungarin Maria Celeng ist Ensemblemitglied seit 2017 und hat verschiedene Preise gewonnen. Sie gestaltet eine unsichere schüchterne Tatjana, die aber in ihrem hochdramatischen Sopran an Jugend und Verlegenheit im Gesang wenig erkennen läßt. Ihre Stimme zeigt Ansätze dunkler Färbung und wirkt trocken streng. Geschmeidig ist die Melodieführung, die Höhe und Tiefe sicher und wohl intoniert. Ihre lebendige Schwester Olga bekommt einen spielerischen neugierigen Dreh in der Gestaltung von Anna-Katharina Tonauer. Ihr Mezzosopran strahlt locker und frei und passt zur Rollengestaltung.

Matija Meic tritt zumeist in leicht zerzauster Kleidung auf und wird durch diese Rollengestaltung gleich zum Außenseiter. Der kroatische Bariton hat eine große Stimme, die aber nicht zu schimmern beginnt. Ohne Nuancen und Farbgebung bleibt seine gesangliche Interpretation einfach und wenig berührend aber sicher in der Intonation.

Hier zeigt Lucian Krasznec seine Stärken, wenn er seinen Lenski zum überzeugendsten Charakter dieser Aufführung macht. Kraftvoll und kämpferisch fordert er zum Duell und mit Inbrunst beteuert er seine jugendliche Liebe zu Olga, mitunter setzt er zuviel Druck auf seine Stimme aber die Mischung stimmt. Sein Tenor hat Timbre, Farben und auch Flexibilität.

Levante Pall ist ein distinguierter Fürst Gremin, der liebevoll und bestimmt wirkt, aristokratisch mit Herz. Sein warmer und kräftiger Bass läßt da keine Wünsche offen.

Ann-Katrin Naidu ergänzt die Ensembleleistung als eine muntere fürsorgliche Hausherrin Larina und einmal mehr überzeugt der Regensburger Maximilian Mayer als Triquet mit seinem frischen, sicheren und nuancenreichen Tenor.

Das Publikum feiert zufrieden und glücklich alle Beteiligten mit kräftigem Applaus, die Hochstimmung ist überall zu spüren.  Glücklich und sichtbar zufrieden macht sich jeder auf den Weg nach Hause.

 

Dr. Helmut Pitsch

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