Das Innsbrucker Ballett entführt verführerisch in das Buenos Aires der Zwanziger

Xl_52e534fb-e062-4424-ac74-eacd2b902584 © Irgit Gufler

Die Welt feiert dieses Jahr seinen 100. Geburtstag. In vielen Aufführungen werden die Werke von Astor Piazzolla einem breiteren Publikum bekannt gemacht. Immer noch ist der Meister des Tango als Urheber verschiedener beliebter Melodien namentlich kaum bekannt. Noch mehr Ruhm hatte er zu Lebzeiten als phänomenaler Bandoneon Spieler - eine Variation des Akkordeons-, das mit seinem typischen melancholischen Klang dem Tango die so verwunschene verborgene Schwermut verleiht. Er entwickelte den Tango in seinem Kompositionsstil zu symphonischen Werken. Dazu reicherte ER das Orchester um weitere Instrumente wie Gitarre, Marimba und eben dem Bandoneon an. Auch wurden Spieltechniken der klassischen Instrumente um Techniken aus der Jazz- und Rockmusik ergänzt. Der Tango verlor seine Rhythmik als Tanzmusik aber erweiterte sein harmonisches Spektrum.

Er näherte sich auch der Oper und nannte seine Komposition Maria de Buenos Aires liebevoll Tango Operita, welche 1968 in Buenos Aires uraufgeführt wurde. Der Text dieser Oper in 16 Bildern stammt von dem bekannten Tango Poeten Horacio Ferrer. In knapp 90 Minuten wird die bizarre Geschichte der Tänzerin Maria in einer mystischen Rückblende erzählt. Als Kind der Vorstadt kommt sie geleitet von zwei Engeln nach Buenos Aires. In nur sieben Tagen reift sie heran und führt ein unglückseliges Leben, das sie in die kriminelle verkommene Unterwelt und den frühen Tod führt. Dies alles erfahren wir von Duende, einer Sprechrolle und selbst ein Geist, der den Geist Marias und ihres Zuhälters den Payador, zwei Gesangsrollen auf die Bühne holt.

Auf der Bühne treten wir in die Bar Duende ein, einem beliebten Treffpunkt in der argentinischen Hauptstadt in den wilden 20iger Jahren des damals wirtschaftlich blühenden Landes. Loftartig wie eine umgewandelte Industriehalle, mit ein paar Tischen und Stühlen an den Seiten und einer Leinwand auf der Rückseite, auf der ebenso dunkle Videos ablaufen und die Stimmung der Musik visualisieren. Unter anderem erkennen wir die Hände des Dirigenten in der Melodie schwingend. Der Leiter und beim Publikum beliebte Direktor der Innsbrucker Ballettcompagnie Enrique Gasa Varga hat es übernommen, das Werk zwischen Oper und Musical in Szene zu setzen. So spielt der Tango, der Tanz und die Musik für den Spanier die tragende Rolle in der Gestaltung. Seine Tänzer und Tänzerinnen vermitteln den Inhalt in abwechslungsreichen anmutigen Pas de Deux, Pas de Trois als auch in großer Formation. Wie aus der Handlung ableitbar ist, bleibt es schwermütig leidvoll melancholisch in der Musik und somit sind die Choreografien sehr elegant, weich und fließend. Liebe, auch unerfüllte, Leid und Schmerz, sowie Psychoanalyse und Selbsterkenntnis werden in einer ideenreichen und stimmungsvollen Weise ausgedrückt. Die für den Tango typische Rolllenverteilung, der männliche Macho und die selbstbewußte respondierende Frau werden umgesetzt.

Diese Grundstimmung trägt, saugt den Betrachter im Laufe des Abends wahrhaft ein. Wer hier Action oder turbulente Tanz Szenen erwartet hat, wird eines anderen belehrt. Julieta Anahi Frías fügt sich optisch und stimmlich in die Rolle der María bestens ein. Lange schwarze Haare, der Mezzosopran in dunkler, trockener fast rauchiger Färbung verknüpfen die markanten Vorstellungen von Argentinien. Der Italiener Andrea de Majo wirkt optisch europäisch, strahlt aber in Gestik, Haltung und tänzerischem Talent Latino Athmosphäre aus. Alexander Medem mimt den Erzähler Duende, hier den rührigen Barkeeper, der auch eine tragende Rolle im Handlungsablauf bekommt. Hauptakteur ist aber das bestens vorbereitete und eingestimmte Innsbrucker Ballettensemble, das sich mit Hingebung und Feingefühl den überaus tänzerischen Rythmen hingibt. 

Tommaso Turchetta führt am Pult das zehn Mannorchester schwungvoll wie pathetisch in die Welt des Tango und Südamerikas. Dabei steht im Santiago Cimadevilla als Bandoneonist perfekt zur Seite. Ein aussergewöhnlicher Abend, der auch einen guten Einblick in die musikalische Welt des argentinischen Komponisten gibt.

Dr. Helmut Pitsch 

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