Bayerische Staatsoper Gaetano Donizetti Lucia di Lammermoor

Xl_lucia_di_lammermoor_bezcala_c_w._h_sl_lm0a5836 © Winfried Hösl

Mit Starbesetzung in der Vorweihnachtszeit Ein kleines Mädchen steht verträumt still auf der grossen Bühne, der Geist der jungen Lucia wandelt im heruntergekommenen elterlichen Landsitz. Der Verfall des Geschlechts der Ashtons wird bildlich deutlich, der einzige Ausweg für Enrico Ashton ist die Vermählung seiner Schwester Lucia, die aber wie er gerade erfährt bereits seinen Erzfeind Edgardo di Ravenswood verfallen ist.


Lucia di Lammermoor (c) Winfried Hösl


Lucia di Lammermoor (c) Winfried Hösl

Geschickt verpackt die Regiseurin Barbara Wysocka hollywoodlike die nunmehr gesponnene Intrige in die 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts und lehnt sich auffällig an Idole der Zeit wie Grace Kelly, James Dean oder Elvis Presley an. Selbst der monströse Strassenkreutzer darf da nicht fehlen, mit dem Edgardo seine Geliebte besucht. Julia Kornacka kleidet die Herrschaften in elegante Seide und Zwirn, Lucias Hochzeit wird zum modernen Society Event, Medienrummel inklusive. Edgardo wird zum aufbegehrenden Aussenseiter, dem bemitleidenswerten Looser, dem alles genommen wurde. Sein Video am Steuer seines Flitzers erzeugt Kino Reminiszenzen.

Die durchgängig gut aussehenden jungen Sänger passen da bestens gewählt ins Regiekonzept. Olga Pudova sprang kurzfristig für die erkrankte Diana Damrau in der Titelrolle ein, eine grosse Herausforderung, die die junge Russin bestens meisterte. Gross und schlank, mit den Bewegungsabläufen nur oberflächlich vertraut gemacht, entwickelt sie ihren Auftritt zur kühlen Blonden, unnahbar, zurückhaltend aber explosiv in den Gefühlen. Gesanglich trumpft sie mit klar sauber gesetzten Koloraturen. Ruhig, im Volumen spitze Forti vermeidend, gelingt eine präzise Wahnsinnsarie mit Handbremse in der Dramatik. Die tischt Piotr Beczala mit frischem ungestümen Elan auf. Da springt er auf den Tisch und hält mit dem Mikrofonstab die aufgescheuchte Menge von sich, in Lederkluft ein zweiter James Dean. Stimmlich in Bestform verteilt er seine Kraft klug auf seine Auftritte. Sein Schmerz am Ende ist mehr als überzeugend und sein warmes Timbre berührt. Leicht setzt er in den Höhen, lässt Melodiebögen romantisch breit öffnen und im Piano verhallen. Kraftvoll stellt sich Ludovic Tezier als der fiese Bruder Enrico Ashton ihm gegenüber. Ihre Duette sind Höhepunkte des Abends. Süffisant zieht da Enrico seinem Erzfeind gegenübersitzend Gläser und eine Whiskyflasche aus dem Mantel, um seinen vermeintlichen Sieg wahrlich im Brustton der Überzeugung zu feiern. Elegant schwingt sein Bariton im Belcanto, weich gebettet auf sonorem nicht zu dunklem Klang. Lyrisch singt er die Melodien aus, setzt kraftvoll Akzente. Nicolas Testé gesellt sich als weitere beeindruckende Männerstimme als Raimondo dazu und setzt seine Akzente in der Auseinandersetzung der verfeindeten Familien. Im Orchestergraben arbeitet Antonino Fogliani weniger beeindruckend. Zu oft zu laut wirkt sein Dirigat, der Stimmung und dem Spiel der Sänger wenig entgegenkommend. Der Einsatz der Glasharfe zur Wahnsinnsarie verleiht in der Instrumentation des Abends seine gewollte Wirkung. Sphärisch werden die sprudelnden Koloraturen klanglich koloriert. Das Publikum bedankt sich begeistert und lang für das vorweihnachtliche Besetzungsgeschenk.

Helmut Pitsch

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