Hamburg: Test of time für die Jahrhundert-Inszenierung Tristan und Isolde von Ruth Berghaus

Xl_tristan.675-864 © Brinkhoff/Mögenburg

Hamburgische Staatsoper

 

Tristan und Isolde

(Richard Wagner)

 

Besuchte Vorstellung 09. Juni 2025

Als die Regisseurin Ruth Berghaus 1988 Tristan und Isolde in Hamburg herausbrachte, war ihr Name auf dem Besetzungszettel noch mit dem Zusatz „...als Gast aus der DDR“ versehen. Zusammen mit dem Bühnenbild von Hans-Dieter Schaal, den Kostümen und Requisiten von Marie-Luise Strandt entstand eine Produktion, deren geheimnisvoll-mystische Wirkung in Erscheinung und Ausdruck ohne Zweifel bis heute in weiten Teilen bestehen geblieben ist.

Die anrührende Schlussszene, in welcher Isolde in unvergleichlicher Weise gleichsam den Mond auf dem sich senkenden Bühnenvorhang umarmt, hat über die Jahre noch jeder großen Wagner-Sängerin und Isolde in dieser Produktion einen in der optischen Wirkung einzigartigen, bewegenden, zutiefst enigmatisch-femininen Liebestod zuteil werden lassen, gleichsam ein kosmisches Verwehen ins Ewig-Weibliche. 

Man mag kaum glauben, wie Text und Gesang – ganz zu schwiegen von den Orchesterfluten -  in einer einzigen, allumfassenden Geste zu Welttheater werden kann – auch nach 37 Jahren noch – und sogar auch noch in der Zukunft. 

Kent Nagano hat die Produktion zum Abschluss seiner Intendanz in Hamburg noch einmal wiederaufgenommen und auch der neue Intendant des Hauses – Tobias Kratzer – hat bereits angekündigt hat, die Inszenierung weiter zu spielen. 

Es gibt allerdings auch Elemente, die heute befremden und den typisch zeitbezogenen ästhetisch-bildhaften Elementen der 80er Jahre entsprechen. Dazu gehört das bedeutungsschwangere Hantieren mit Stoffbahnen gleichsam wie mit einem Kokon oder dinglichen Symbolen,  wie z B Teilen der Rüstung Morolds etc.  

Man fragt sich auch, wie man wohl die zwischen gewaltigen mensch-gemachten Konstruktionen zur Naturbewältigung (in der Anmutung wie ein Kraftwerk oder Raumschiff) letztlich aber selbst wieder im Weltenraum schwebenden, sehr aufwändigen Bühnenaufbauten heute – in der Zeit einer gewandelten Ästhetiken und der Videokunst – kreieren würde.

Bei der Premiere kam es zu erheblichen Protesten – kann man sich das heute noch vorstellen? Aber wer ist sich seiner Erinnerungen und Gefühle sicher bei einer Opernproduktion aus dem Jahre 1988, nach 37 Jahren also? So wird – unweigerlich mit der Aufführung auch ein Gang durch die Theater- und Bühnenästhetik sowie Operngeschichte der letzten fast vierzig Jahre.    

Ein Museum ist diese Produktion dennoch nicht. Viele große Sängerinnen und Sänger sowie Dirigenten haben die Inszenierung im Laufe der Jahre in Hamburg musikalisch zum Ereignis gemacht und Christian Thielemann ist bis heute dem damaligen Intendanten Peter Ruzicka dankbar, dass er das Werk in Hamburg zum ersten Male dirigieren konnte.  

Auch diese Vorstellung brilliert mit einem überwiegend guten bis hervorragenden Sängerensemble und dem Philharmonischen Staatsorchester.

Catherine Foster als Isolde überzeugt mit ihrem kräftigen, umsichtig geführten Sopran und ist von Anbeginn eine souveräne Isolde, die ihre Verletzungen, Forderungen und schließlich ihre Liebe zu Tristan stimmlich und darstellerisch mit Nachdruck und sicherem Effekt zu vertreten weiß. Sie ist auch die starke Frau, die aus der Welt des Lichts und der gesellschaftlichen Verpflichtungen aus Liebe zu Tristan mit großer Souveränität am Ende heraustritt.        

Die Brangäne von Katja Pieweck glänzt durch ihren warmen, sicher über die Orchesterfluten geführten Mezzo und einer immer samtweichen Stimmführung, die wie der andere Teil der Seele Isoldes leidet und glänzt. 

Christoph Pohl ist Tristans treuer Kurwenal - in jeder Phase des Dramas mit seinem robusten und gleichwohl einfühlsam geführten Bariton treu ergeben präsent.   

Der König Marke von René Pape ist seit langen Jahren ein scheinbar gänzlich unverwüstlicher Vertreter der Partie. Die Klarheit seines sprachlichen Ausdrucks, die sonore Bassgewalt einer scheinbar unverwüstlichen Stimme und seine groß-gewachsene Bühnenpräsenz machen ihn zu einem Ereignis der Aufführung.  

Nur der Tristan von Simon O’Neill lässt Wünsche offen. Die tendenziell hoch liegende Tenorstimme kann zwar in einzelnen Tönen überzeugen, vermag jedoch kaum je eine Gesangslinie zu formen. Das Timbre ist gestresst, der Zusammenklang mit Isolde nicht klangschön. Auch wenn der Sänger im dritten Akt noch einmal alle Reserven zu mobilisieren sucht, kann das Ergebnis nicht befriedigen.

Das Philharmonisches Staatsorchester Hamburg beginnt die Nachmittagsvorstellung mit leicht verhangenem Klang. Unter der Leitung seines scheidenden Chefdirigenten Kent Nagano findet es jedoch noch im ersten Akt zu aufblühenden Bögen und klangschönen und abgerundetem, vor allem einfühlsam und vielschichtig gestaffeltem, ausdrucksstarkem Wagnerklang.  

Das Publikum feiert Nagano und das Orchester bereits, als der Dirigent zum zweiten Akt ans Pult zurückkehrt und macht dem scheidenden Generalmusikdirektor den gesamten Abend über nachhaltig seine Wertschätzung deutlich. Catherine Foster, Katja Pieweck, Harald Stamm und Christoph Pohl werden verdienterweise lange und mit vielen bravi-Rufen vom gesamten Haus gefeiert.  

 

Achim Dombrowski

Copyright Fotos: Brinkhoff/Mögenburg

 

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