Jede neue Partitur schaut in die Zukunft

Xl_58aab22a-22cb-4276-bf38-96ed5af4f36b © Harald Hoffmann

Jede neue Partitur schaut in die Zukunft.

Der erfolgreiche, österreichische Komponist Bernhard Lang über die Uraufführung seiner Oper „Hiob“ am Stadttheater Klagenfurt, über Stilfragen in der Musik und die Zukunft der Oper

Immerhin ist „Hiob“ schon sein 16. Musiktheaterwerk, das jetzt als Auftragswerk am Stadttheater Klagenfurt uraufgeführt wird. Und das nächste ist auch schon fertig: Es heißt „Dora“ und wird 2024 in Stuttgart das Licht der Welt erblicken. Auch sonst ist der demnächst bald 66 Jahre alte Bernhard Lang ungemein produktiv: Sein Werkverzeichnis ist sehr umfangreich. Der in Linz geborene Komponist schrieb Stücke praktisch in allen Genres (Orchesterwerke, Kammermusik, Chorwerke, Ensembles, Elektronische Musik, Theatermusik, Tanztheater, Filmmusik, Klanginstallationen, Jazz): „Derzeit arbeite ich an einem Streichquartett und vier Stimmen, sowie an zwei kleineren Musiktheaterwerken für Ensemble und Stimme“. Zu seinen persönlichen Favoriten bei seinen Opern zählt er „I Hate Mozart“ oder „Reigen“ nach Arthur Schnitzler, beides gemeinsam erarbeitet mit Michael Sturminger, der auch „Hiob“ inszeniert und das Libretto verfasst hat. „Wir sind ein tolles Team!“

„Ich komponiere aus einem inneren Drang her seit meinem 15. Lebensjahr, obwohl mir dies meine Eltern, die beide ein Instrument spielten, eigentlich verboten haben. Sie sagten, ich solle Klavier üben und nicht herumklimpern.“ So habe ich immer dann komponiert, sobald sie außer Haus waren. Aber sie haben mich schon früh ins Musiktheater (Zauberflöte, Puppentheater) eingeführt.

In Linz und in Graz studierte Bernhard Lang Komposition, Klavier, Harmonielehre, Jazztheorie sowie Philosophie und Germanistik. Bis letzten Oktober war er Professor für Komposition an der Kunstuniversität Graz (KUG), leitet aber schon über Jahre und auch jetzt immer noch Masterclasses weltweit. Er ist mit einer Kärntnerin liiert und wohnt in deren Haus in Kärnten, dem südlichsten Bundessland von Österreich in der Nähe der Stadt von Wolfsberg im Grünen. „Hier weit weg von einer Stadt mit einem weiten Blick über das Lavanttal und auf die Petzen (einem Berg in den Karawanken) hole ich mir auch meine Inspiration. Eine Komposition besteht nur aus 10% Inspiration, hingegen aus 90% Transpiration“, erzählt er schmunzelnd und: „Hier habe ich den letzten 40 Jahren viel komponiert, darunter auch ‚Hiob‘.“ Der Terminkalender des mehrfach ausgezeichneten und derzeit vielfach aufgeführten Tonschöpfers ist ziemlich voll: In Berlin, Paris, London, München, Augsdorf, Salzburger Festspiele, Steirischer Herbst und immer wieder Wien (z.B. ständig bei Wien modern) wurden und werden demnächst zahlreiche Werke von ihm aufgeführt. „Ja, die Nachfrage ist derzeit ziemlich groß, es kommen auch ständig neue Aufträge hinzu. Wahrscheinlich hat sich auch nach Covid alles ziemlich verdichtet“.

Seine Werke zeichnen sich durch eine große stilistische Vielfalt aus. „Eine Selbstanalyse meines Stils ist schwierig. Aber ich habe einen großen Wiedererkennungswert, setze Wiederholungen intensiv ein und filmische (Schnitt)Techniken. Der Stil hängt immer auch vom Werk ab, das ich schreibe, auch Zitate aus anderen Stücken, wie im „Hiob“ und Überschreibungen werden von mir verwendet“.

Kann ein zeitgenössischer Tonschöpfer heute allein vom Komponieren leben? „Nicht allzu viele schaffen das. Ab meinem 40. Lebensjahr war mir dies vergönnt. Aber man weiß nie, wie lange dies anhält“, meint der dazu nachdenklich.

Und wie laufen die Proben zu „Hiob“ am Stadttheater Klagenfurt? „Hervorragend, ich bin vor 10 Tagen dazu gestoßen und werde vom großbesetzten und erweiterten Orchester, und dem Chor bestens unterstützt. Wir haben ein exzellentes Gesangsensemble und ich habe selten einen so toll vorbreiteten Dirigenten wie Tim Anderson erlebt. Ich bin aktiv dabei und bringe mich ein. Musikalische Fragen werden optimiert, es wird an der Balance und der Textverständlichkeit gearbeitet“

Grundlage für die Oper ist nicht die alttestamentarische Geschichte von Hiob, sondern der gleichnamige Roman von Joseph Roth aus 1930 in der Bühnenfassung von Koen Tachelet. Hiob heißt hier Mendel Singer, worüber Michael Sturminger, der auch Regie führt, das Libretto verfasst hat. Sie handelt von dem Juden Mendel Singer, der mit seiner Frau und vier Kindern im 20. Jahrhundert in einem Ort in Russland an der Grenze zu Polen lebt. Der jüngste Sohn ist behindert, der älteste wird russischer Soldat und gilt später als vermisst. Der zweite flieht vor dem Wehrdienst nach Amerika und holt die Familie nach. Er fällt jedoch als US-Soldat im 2. Weltkrieg, worauf auch seine Mutter und Frau von Singer Deborah aus Verzweiflung stirbt.

„Diese Schicksalsschläge, die einen einzelnen, gottesfürchtigen Mann ereilen, gegen den sich die ganze Welt scheinbar verschworen hat, haben mich fasziniert. Seine Situation verbindet uns und ist in uns allen. Und so eröffnen sich immer wieder auch theologische Fragen, warum gerade ich? Für mich ist diese Geschichte ein großer Opernstoff.“ Vom musikalischen Stil her wird es Überraschungen geben, erzählt er. Die Oper ist nicht als Oratorium angelegt. Lang will, dass man die Verzweiflung aber auch die Lebensfreude mit einer gewissen Spritzigkeit spüren soll. Deshalb wird auch Klezmer-verwandte Musik aber auch Folk zu erleben sein, hauptsächlich in Mischformen. Dies hört man oberflächlich. Es wird aber auch komplexe Strukturen im Untergrund mit Mikrotonalität, spektral gedacht, geben. Und ein komplexes Erinnerungsmotiv. „Nach der Wahl des Textes entsteht meine Musik entsteht immer aus dem Text. Der Text stellt alle Weichen.“

Wie sieht seiner Meinung nach die Zukunft der Oper aus? Dazu meint Bernhard Lang: „Das Genre Oper und die klassische Musik brauchen neue Stücke. Derzeit werden zu 90% immer die gleichen aufgeführt. Und gerade das älter gewordene Publikum, das schon alles gesehen und gehört hat, ist neugierig auf neue Werke, die auch durchaus gut besucht werden und weiß sie zu schätzen. Die Nachfrage ist da! Jede neue Partitur schaut in die Zukunft.“

Dr. Helmut Christian Mayer

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