Aus der Welt der englischen Chortradition in den Orbit von Lied und Oper - Der junge Tenor Laurence Kilsby

Xl_laurence-kilsby-interview © Ben Reason

Opera Online sprach mit dem ‚Young Singer to Watch‘ (The Times London)  Laurence Kilsby anlässlich der Veröffentlichung seines ersten CD-Recitals 

Wir treffen Laurence Kilsby in einer Probenpause von  L’Incoronazione di Poppea  in der Kölner Oper zum Interview. „Bin ganz in der Welt Monteverdis, die auch nach den Vorstellungen dieser Produktion in Aix-en-Provence (2022) und danach in Opéra Royal de Versailles (2023) gesungen und gespielt habe, für mich immer wieder Neues offenbart. Die Zusammenarbeit mit den Kölner Kollegen ist großartig und irgendwie fühle ich mich im Vorgriff auf meine Rückkehr zum französischen Festival in diesem Sommer schon so wie in Aix“.    

OO: Das Programm Deines ersten Solo-Recitals ist ungewöhnlich – wie ist es entstanden ?

LK: Ich arbeite mit der Pianistin Ella O’Neill, mit der ich ja schon erfolgreich bei den Wettbewerben in der Wigmore Hall und Das Lied in Heidelberg  aufgetreten bin. Das Programm der CD ist über Jahre der gemeinsamen künstlerischen Zusammenarbeit sowie unserer persönlichen und charakterlichen Fortentwicklung entstanden. Diese Auseinandersetzung hat mich auch zu einer intensiven Reflexion über mich selbst geführt. Ich kann gar nicht glauben, wie schnell ich  erwachsen geworden bin. 

OO: Welche Kompositionen werden vorgestellt?

LK: Wir präsentieren einen sehr weit gefassten Bogen von Liedern von Brahms, Saint-Saëns, Wolf, Schönberg, Stenhammar, Clarke, Prokofiev, Wood, Heggie, Weill und Britten in fünf verschiedenen Sprachen. 

Das verbindende Element ist die Frage, wie unsere lustvollen Impulse aus dem Verfall der Unschuld entstehen - eine Reise von der kindlichen Naivität zum Erwachsenenalter mit dem Erwachen romantischer, sexueller und emotionaler Welten, die wir nie ganz verstehen oder kontrollieren können, die aber durch die Kunst des Liedes ausgedrückt werden können.

Die Pianistin hat dabei eine gleich-bedeutende Rolle bei der Erzählung von Geschichten. Ellas Spiel ist so sensibel, farbenfroh und inspirierend für mich als Sänger. Im September werden wir dieses Programm auch an der Wigmore Hall in London vorstellen.

OO: Du hattest ja vorher bereits bei CDs mitgewirkt?

LK: Ja, ich war bei Händels: L'Allegro, il Penseroso ed il Moderato mit Paul McCreesh und dem Gabrieli Consort dabei, sowie schon 2011 bei Mozarts Krönungsmesse unter Benjamin Nicholas mit dem Charivari Agreable Ensemble und der Tewkesbury Abbey Schola Cantorum of Dean Close Preparatory School. 

OO: Gab es eine Initialzündung für den Wunsch professionell zu singen?

LK: Meine Mutter  hat mich zu vielen künstlerischen Begegnungen mitgenommen, Schauspielen, Musicals, Ballett. Eine Zeit lang wollte ich Schauspieler werden, habe auch Ballett getanzt, Klarinette und Gitarre gespielt. Schon als Kind bin ich in der Pantomime meiner Heimatstadt aufgetreten und hatte dort meinen ersten Theater-'Job'.

Aber ich habe nie vergessen, wie mich die jungen Chorknaben in unseren Kirchenchören beeindruckt haben. Für mich erschienen sie die so komplexe Musik ungemein selbstbewusst schwebend vorzutragen. Das wollte ich auch können, so wollte ich auch singen und auftreten. Und dies blieb dann auch immer die wesentliche Prägung. 

OO: Welche Institutionen hast Du bei Deiner Ausbildung besucht? 

LK: Zunächst war ich Chorsänger bei der Tewkesbury Abbey Schola Cantorum und hatte dort die Chance, Solopartien zu übernehmen, u a in der Royal Albert Hall, London. Ich nahm zu der Zeit bereits an Wettbewerben für Chorsänger teil und gewann den Titel ‚BBC Radio 2 Young Chorister of the Year‘.  Zum Glück habe ich generell kein übermäßiges Lampenfieber, aber natürlich bin ich immer um meine Stimme besorgt.

OO: Gab es Mentoren, die auf Deinem Entwicklungsweg wichtig waren?

LK:  Ja, und zwar ganz unterschiedlicher Art. Einmal war es das Geschenk zweier Schallplatten eines erfahrenen Sängers mit den Liedvorträgen von Dietrich Fischer-Dieskau und Fritz Wunderlich, die mich bis heute in Atem halten. 

Aber noch wichtiger war die persönliche Begleitung und die vielen Ermutigungen durch Helen Porter, Musikdirektorin an der Dean Close School. Sie half mir, meine erste Opernrolle vorzubereiten: Lysander in Benjamin Brittens A Midsummer Nights Dream für eine Universitätsproduktion. Sie war auch sehr ermutigend, mich mit der Welsh National Youth Opera in einer Produktion von „Kommilitonen“ von Peter Maxwell Davies arbeiten zu lassen.

Nur einmal bin ich dem Rat meiner Lehrer nicht gefolgt: als sie mir einen akademischen Abschluss an der Oxford oder Cambridge University empfahlen. Ich wollte hingegen möglichst schnell auf der Bühne stehen und habe meine Ausbildung primär beim Royal College of Music in London und Curtis Institute of Music in Philadelphia absolviert.   

OO: Rat und Hilfe von erfahrenen Kollegen?

LK: Meine wichtigste Master Class hatte ich bei Dame Sarah Connolly gemacht: Sie gab mir viele wertvolle Ratschläge und Kontakte und half mir auch, meinen Agenten zu finden. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

OO: Das letzte Jahr war ja dann sehr erfolgreich. Du hast gleich bei drei Wettbewerben gewonnen. Innerhalb von drei Wochen den Cesti-Wettbewerb Innsbruck – im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik und beim Wigmore Hall/Bollinger International Song Competition. Und nur wenige Monate später schließlich bei Das Lied im Rahmen des Heidelberger Frühling  – die letzten beiden jeweils zusammen mit der Pianistin Ella O’Neill.

LK: Ja, eine unfassbar aufregende Zeit. Ich kann es selber emotional noch gar nicht richtig verarbeiten. 

OO: Welche Engagements sind Dir in der nächsten Zeit besonders wichtig? 

LK: Wir spielen bis Ende Mai in Köln die L’Incoronazione, danach im Juli zurück nach Aix-en-Provence zu einer Neuproduktion des Samson von Rameau mit Raphael Pichon und seinem Ensemble Pygmalion, wo ich den Elon singen werde. Die Regie wird Claus Guth führen. Diese Produktion werden wir dann im März 2025 auch an der Opéra-Comique in Paris zeigen.

An der Opéra national du Rhin in Strasbourg werde ich im November bei Händels Ariodante dabei sein und ab Januar 2025 in Rameaus Castor et Pollux an der Opéra de Paris unter Teodor Currentzis und Peter Sellars im Palais Garnier auftreten.

Besonders freue ich mich aber auf die Tenorpartie in der Johannes Passion, wieder mit Raphael Pichon zu Ostern 2025 (u.a. in Wien, Frankfurt, Lausanne, Hamburg). Hier wird Julian Prégardien den Evangelisten singen. Die Zusammenarbeit mit Julian ist menschlich und künstlerisch immer eine außerordentliche Bereicherung für mich. Ich selbst habe den Evangelisten in der Matthäus Passion mit Ivor Bolton und dem Niederländischen Kammerorchester im März 2024 im Concertgebouw Amsterdam schon einmal singen dürfen.

OO: Gibt es heute eine künstlerische Heimat?

LK:  Am ehesten würde ich hier Raphaël Pichon und sein Ensemble Pygmalion nennen, mit dem ich am meisten zusammengearbeitet habe. Jede Erarbeitung eines neuen Werkes und wirklich jede Aufführung sind eine neue Reise in unerforschte Elemente eines Komponisten und seines Werkes.  

OO: Träume ?

LK: Ach, so viele ... - ich würde gerne mit Choreographen und Regisseuren zusammenarbeiten, um neue, innovative Inszenierungen der Matthäus- und Johannespassion zu kreieren. Ein anderer Traum ist auch, meinen ersten Tamino zu singen, ebenso wie die Titelrolle in Monteverdis L'Orfeo.

Und dann auch ein schönes Zuhause, in dem mein Partner Nic (ebenfalls Musiker) und ich zusammen sein können, wenn wir nicht auf Reisen sind. Ein Ort, an dem wir uns ausruhen und unsere gegenseitige Unterstützung genießen können.

Achim Dombrowski

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