Zemlinskys "Der Zwerg" als Blu-Ray-Disc aus Berlin: Glitzernde, leuchtende Farben

Xl_zwerg-berlin-blue_ray-6-20 © Monika Rittershaus

„Bist du es, feindliches Bild“: Jäh, brutal ist der Fortissimo-Aufschrei im Orchester und gewaltig das Erschrecken beim erstmaligen Erkennen seines hässlichen Spiegelbildes und ein Höhepunkt der Oper von „Der Zwerg“ von Alexander von Zemlinsky. In der jetzt bei Naxos erschienenen DVD (Nr. 2.1106057) und Blu-ray-Disc (Nr.NBD0108V) aus der Deutschen Oper Berlin hat Regisseur Tobias Kratzer diesen Moment spannungsgeladen mit einem Kunstgriff noch dadurch verstärkt, dass er die Figur des Zwerges mit einem Sänger und einem kleinwüchsigen Schauspieler verdoppelt hat. Beide sind im Frack, der Tenor zunächst nur vor einem Notenpult, der Schauspieler zuerst als Dirigent vor einem auch auf der Bühne befindlichen Orchester. Anfangs verleiht der Tenor dem anderen nur Stimme, dann geraten beide immer mehr in Konflikt, der letal endet, denn der Sänger erwürgt den Schauspieler und stirbt dann auch.  

Die Oper beruht auf Oscar Wildes Märchen „Der Geburtstag der Infantin“, bei dem die Prinzessin von einem Sultan einen Zwerg geschenkt bekommt, der aber nichts von seiner Missgestalt weiß. Der Einakter wird auf einer weißen Konzertbühne, der von einer Orgel dominiert und von weißen Büsten von Komponisten (Ausstattung: Rainer Sellmaier) umrahmt wird, die zum Finale von ihren Konsolen gestürzt werden, gezeigt. Das Spiel mit und über Musik wirkt sehr kunstvoll, wie auch das Zusammenkommen der Luftballon schwenkenden, in heutigen Gewändern steckenden Hofgesellschaft mit dem am Podium sitzenden Orchester, auch etwas bemüht.

David Butt Philip als tenoraler Zwerg singt die schwere Partie, höhensicher, vielleicht eine Spur zu eindimensional, sein lyrisches Lied von der blutenden Orange gelingt ihm sehr schön. Mich Morris Mehnert zeigt als Schauspieler den Zwerg mimisch und gestisch sehr beeindruckend. Elena Tsallagova singt die beschenkte Infantin Donna Clara im Glitzerkleid und anfänglich vor Langeweile stets kaugummikauend mit glasklarem, geschärftem Sopran, mit Koketterie aber auch Anmut. Zum Schluss mischt sich in ihre Herzlosigkeit und dem grausamen Spiel mit dem Zwerg („Geschenkt und schon verdorben“) doch eine Ahnung von Liebe. Philip Jekal als Haushofmeister Don Esteban und Emily Magee als Lieblingszofe Ghita singen beide souverän, ebenso wie die vielen kleineren Rollen und der Chor der Deutschen Oper (Einstudierung: Jeremy Bines).

GMD Donald Runnicles am Pult des Orchesters der Deutschen Oper Berlin weiß die spätromantische Musik von Zemlinsky, das Geflecht der Themen und Harmonien  mit vielen aufregenden Details und wunderbaren Farben zum Glitzern und Leuchten zu bringen

Da in dieser Oper der selbst kleinwüchsige Komponist Zemlinsky autobiographisch seine Beziehung zu seiner Schülerin Alma Mahler-Werfel verarbeitet hat, wird bei dieser Berliner Produktion eine 8 ½-minütige inszenierte Szene mit der „Begleitmusik zu einer Lichtspielscene“ von Zemlinskys Schwager Arnold Schönberg vorangestellt. Alma Mahler (damals noch Schindler) nimmt beim kleinen, in realiter nur 1,60 großen Zemlinsky Klavierunterricht und schmachtet ihn an. Gemeinsam steigern sie sich in einen Klang- und Liebesrausch. Plötzlich stößt sie ihn von sich und verweist auf sein Spiegelbild. Die Gattin des Dirigenten Adelle Eslinger-Runnicles verleiht ihr die Haltung einer Grande Dame, während der Pianist Evgeny Nikoforov einen keinesfalls unansehnlichen Zemlinsky darstellt.

Viel Beifall!

Dr. Helmut Christian Mayer

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