Wiener Staatsoper: Magische musikalische Momente bei Strauss „Die Frau ohne Schatten“

Xl_frau_ohne_schatten-wien-10-23-1 © Michael Pöhn

Es ist schlichtweg eine musikalische Sternstunde: Und dazu tragen in erster Linie das Orchester der Wiener Staatsoper unter Christian Thielemann bei. In der ganz ohne Striche musizierten „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss im Orchester entstehen überwältigende Momente von überirdischer Schönheit und unglaublicher Klangpracht: Ganz besonders bei den Lyrismen, wenn die Kaiserin das Reich ihres Vaters Keikobad betritt und über einem subtilen Streicherteppich der Konzertmeister Rainer Honeck das innige, sehr berührende Geigensolo spielt. Aber auch die Zwischenspiele sind von zwingender dramatischer Kraft. Bereits während der beiden Pausen bricht das Publikum für den deutschen Dirigenten und das Orchester in Jubelstürme aus.

Die Wiener Staatsoper kann bei ihrer Wiederaufnahme dieser Neuproduktion aus dem Frühjahr 2019 zweifellos aber auch mit einem überwiegend exquisiten Sängerensemble aufwarten: Allen voran steht Michael Volle als Färber Barak, die einzige Figur dieser Oper mit einem Namen. Er singt den Färber mit seinem kraftvollen, weichen Bariton mit wunderbaren Farben und voll menschlicher Wärme, der vor allem mit „Mir anvertraut…“ und dem in subtilen Piani gesungenen „Fürchte dich nicht“ sehr rührt. Kostbare Töne voll Innigkeit, silbrig, makellos schafft Elza van den Heever als anmutige Kaiserin mit blühender Stimmkraft. Und sie kann auch den Weg von der weltfremden, ätherischen Erscheinung zum vollwertigen Menschen mit allen emotionalen Ebenen glaubhaft darstellen. Über ein herrliches tenorales, kraftvolles Material verfügt auch Andreas Schager als Kaiser. Bei Österreichs tenoralem Aushängeschild und Ausnahmekönner fließen die Registerwechsel reibungslos. Seine Höhe ist zudem ungefährdet und sattelfest. Tanja Ariane Baumgartner fasziniert als Amme. Sie singt diese Rolle sehr differenziert und beeindruckend. Als Figur verbreitet sie mit großer Präsenz eine starke dämonische Aura. Elena Pankratova liefert ein zwischen Verzweiflung und Hysterie changierendes Frauenbild der Färberin ab und kann mit elementaren und packenden Attacken und starker Bühnenpräsenz aufwarten. Clemens Unterreiner singt die kleine Rolle des Geisterboten sehr beeindruckend. Großartig und sehr homogen erlebt man auch die Chöre und die kleineren Partien.

Es ist wahrscheinlich das komplexeste Werk des kongenialen Duos Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss: „Die Frau ohne Schatten“.  Diese in Wien vor etwas mehr als hundert Jahren uraufgeführte, märchenhafte Oper war auch immer das Liebkind des großen bayrischen Komponisten.

Die sehr realistische Inszenierung von Vincent Huguet mit dem Pavillon auf Stelzen zu Beginn und der strukturierten Felswand als weiteres Einheitsbühnenbild überlässt der Musik ungehindert das Feld. Sie interpretiert nicht, ist gefällig, stört nicht, ist belanglos bebildert und regt niemanden auf. Man denkt nicht mehr über einige teils seltsamen Ideen des Franzosen nach, oder die aus dem zeitlichen Kontext gerissenen Geistesblitze.

Unbeschreiblicher Jubel für die musikalische Seite!

Dr. Helmut Christian Mayer

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