Wien: Erfolgreiche Wiederaufnahme von „Věc Makropulos“ von Leoš Janáček an der Staatsoper

Xl_makropulos-wien-11-25 © Michael Pöhn

Sie ist unvorstellbare 337 Jahre alt, immer noch wunderschön und heiß umschwärmt: Emilia Marty alias Elina Makropulos, die gefeierte Operndiva. Ihr Vater, Leibarzt beim Kaiser Rudolf II in Prag, hat Ende des 16. Jahrhundert an ihr ein lebensverlängerndes Elixier ausprobiert, dessen Wirkung nun demnächst ausläuft. In „Věc Makropulos“,der vorletzten Oper von Leoš Janáček (die Uraufführung fand 1926 statt), die jetzt an der Wiener Staatsoper wiederaufgenommen wird, geht es aber nur scheinbar vordergründig um einen seit hundertjährig andauernden Erbstreit, in dem Emilia an das Rezept für den Zaubertrank kommen will. sondern vielmehr darum, ob es wirklich erstrebenswert ist, ewig zu leben. Denn es ist unschwer zu erkennen, dass die Protagonistin ihres Lebens überdrüssig ist, sie es langweilt und sie den Nachstellungen der Männer nur noch mit Verachtung und Zynismus begegnet. Und tatsächlich, obwohl sie die Rezeptur letztlich in den Händen hält, entscheidet sie sich doch für den Tod als Erlösung, denn erst die Endlichkeit macht das Leben wertvoll.

Regie-Urgestein Peter Stein zeigt in seiner konventionellen Inszenierung dieser Rarität aus 2015 präzisen Naturalismus. In einer historisierten Szene, einer mit Akten vollgestopften, altmodischen Rechtsanwaltkanzlei und einem luxuriösen Hotelzimmer (Bühne: Ferdinand Wögerbauer) und in Kostümen (Annamaria Heinreich) aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts regiert besonders im ersten Akt viel Statik. Stärker und lebendiger wird es ab dem zweiten, richtig spannend wird es dann im dritten Akt, wenn sie trotz Erlangen der Rezeptur unerwartet darauf verzichtet, plötzlich zu einer Mumie wird und schlussendlich stirbt.

Ausdrucksvollen Gesang in oft extremen Lagen verlangt der Komponist: Marlis Petersen als Emilia Marty alias Elina Makropulos in zauberisches Licht getaucht, wickelt die Männer um die Finger, singt stets unangestrengt mit ungefährdeten Höhen und bestreitet souverän die Partie. Wie schon 2015 singt Wolfgang Bankl den Rechtsanwalt Dr. Kolenatý mit robustem Bassbariton. Der ehemalige Verehrer Hauk-Sendorf, der mittlerweile zum skurrilen Greis geworden ist, wird von Matthäus Schmidlechner liebe- und humorvoll gespielt. Pavel Cernoch als Albert Gregor erfüllt alle Voraussetzungen dieser Partie mit durchschlagskräftiger, tenoraler Expressivität. Bo Skovhus, der als Jaroslav Prus in den Genuss einer Liebesnacht mit Emila kommt, fehlt es an stimmlicher Kraft. Nicht ohne Charme erlebt man Carlos Osuna als dessen Sohn Janek Prus. Lukas Schmidt ist ein prägnanter Bürodiener Vítek. Alma Neuhaus ist die feinstimmige Krista.

Je älter er wurde, umso radikaler, moderner wurde Leos Janácek. Und mit 71 Jahren komponierte der eigenwillige Komponist aus Brünn dieses Werk, das leidenschaftlicher, ekstatischer wurde als alles zuvor. Tomás Hanus am Pult des Staatsopernorchesters lässt die kleinteiligen Klangskizzen, die sich in rasender Geschwindigkeit wiederholende Motive, die kühnen Streicherfiguren und Bläsersoli mit höchster Intensität und einer enormen Vielschichtigkeit musizieren und bringt die Partitur besonders zum Finale prachtvoll zum Leuchten.

Viel Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

 


 

 

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