Webers "Freischütz" im Stream aus Dresden: Tradition und Klangschönheit

Xl_freisch_tz-dresden-stream-6-20-5 © Semperoper Dresden

Es war im Februar 1945, da fiel die Dresdner Semperoper in Schutt und Asche, um erst 40 Jahre später wie der Phönix wiederzuerstehen. Das war 1985 und „Der Freischütz“ vom ehemaligen Hofkapellmeister in Dresden Carl Maria von Weber war damals die Eröffnungspremiere. Deshalb wollte man 2015, zum 30-jährigen Jubiläum des traditionsreichen Opernhauses dieses hier entstandene hingegen aber 1821 in Berlin uraufgeführte Werk des Komponisten wieder spielen. Und diese erfolgreiche Produktion war jetzt im Stream aus der Semperoper zu erleben.

Deshalb lässt wohl Regisseur Axel Köhler die Handlung nicht während des Dreißigjährigen Krieges, sondern während des 2. Weltkrieges spielen: Zu sehen ist eine typische deutsche Villa, die allerdings ruinös und beschädigt wirkt (Bühne: Arne Walther). In der zweiten Szene sieht man eine typische, traditionelle Stube. Recht dämonisch gerät die „Wolfsschluchtszene“ mit Projektionen von fliegenden, schwarzen Vögeln, rasant dahintreibenden dunklen Wolken und bedrohlichen Baumstämmen. Erhängte schweben durch die Luft, bewaffnete Männer tauchen auf, Feuer brennt, Blitze zucken. Aber trotz der Landhausidylle und der traditionellen überwiegend Trachtenkostüme (Katharina Weissenborn) schafft Köhler mit teils packender Personenführung den Spagat zwischen Tradition und Kitsch. Die Stimmung ist gedrückt, selbst in den ausgelassenen Szenen, und das Volk wirkt traumatisiert.

Spielfreudig und sängerisch im oberen Qualitätsbereich findet sich überwiegend das Ensemble: Sara Jakubiak ist eine textverständliche Agathe mit samtigem Timbre, die man sich jedoch etwas inniger und inspirierter gewünscht hätte. Christina Landshamer fasziniert mit keckem Spiel und Frohsinn wie auch mit einem sehr flexiblen, leichten Sopran, besonders auch in ihren technisch ungemein fordernden Arien. Jugendlich, höhensicher und kraftvoll hört man den Tenor von Max König als Max. Dämonisch, schwarz und kräftig erlebt man den Bass von Georg Zeppenfeld, hörbar ein Liebling des Dresdner Publikums, in der Figur des Bösewichts Kaspar. Etwas abfallend in Gesang und vor allem in szenischer Gestaltung wirkt Albert Dohmen als farbloser Erbförster Kuno. Andreas Bauer ist ein prachtvoller Eremit, Adrian Eröd ein idealer, aalglatter und schneidiger Böhmenfürst. Der Kilian des Sebastian Wartig klingt sehr erfrischend. Der Chor des Hauses gefällt durch Homogenität und Klangschönheit, insbesondere beim berühmten Jägerchor.

Auch im Graben hört man viel Klangschönheit wie auch viele, versteckte Details der Partitur dieser „deutschesten“ aller deutschen Opern. Die Sächsische Staatskapelle Dresden unter ihrem Chef Christian Thielemann besticht mit punktgenauem, sanglichen Holz, sicherem Blech und seidigen Streichern wie auch insgesamt mit viel hörbarer Spielfreude.

Viel Jubel im Publikum für alle Beteiligten!
 

Dr. Helmut Christian Mayer

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