
Schon gleich zu Beginn brandet bei seinem ersten Auftritt in der ausverkauften Wiener Staatsoper großer Jubel auf. Dieser setzt sich dann fort, wird zum Finale frenetisch und führt zu stehenden Ovationen: Was auch kein Wunder war, denn Phillipe Jordan verlässt als Musikdirektor der Wiener Staatsoper, eine Funktion, die er seit 2020 bekleidete, nach dem Abschluss des zweiten Zyklus des „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner die Wiener Staatsoper und wird wie auch das überwiegend exzellente Gesangsensemble vom Publikum ausgiebig gefeiert. Es regnet Blumen, der Bravi Orkan will nicht enden und dauert fast 25 Minuten, auch die Orchestermitglieder stehen alle im Graben und applaudieren Jordan heftig zu. Zu Recht, denn auch diesmal vernimmt man bei der „Götterdämmerung“ aus dem Graben ganz Besonderes: Denn dort musiziert das Orchester der Wiener Staatsoper unter seiner Stabführung mit wunderbarem Wohlklang, feiner Subtilität, kammermusikalischer Transparenz aber auch hochdramatischen, spannungsgeladenen Ausbrüchen. Jordan kostet die einzelnen Phrasen aus und wählt teils breite Tempi, wobei die Spannung nie nachlässt. Der sichtlich gerührte, beliebte Schweizer Maestro, der viele famose Opernabende hier im Haus am Ring dirigiert hat, geht ab 2027 nach Paris. Er wird dem Wiener Publikum sehr fehlen.
Momentan ist er wohl als Siegfried weltweit unschlagbar: Andreas Schager. Der österreichische Heldentenor singt die schwere Partie mit scheinbar unerschöpflichen Kraftreserven und allen mühelosen Spitzentönen und er spielt ihn recht ungestüm. Obwohl indisponiert angesagt, singt Anja Kampe die Brünnhilde stimmgewaltig und mit großer Ausdauer: Nach starkem Beginn hat sie auch für ihren großen Schlussgesang noch genügend Kraftreserven. Ihr Sopran bleibt immer warmtimbriert und schafft mühelos alle Spitzentöne. Da fällt Samuel Youn doch etwas ab. Er verfügt als Hagen zwar über einen pechschwarzen Bass. Zudem ist er zum Fürchten, ungemein böse und intrigantenhaft, allerdings ist seine Stimme für das Haus zu klein. Er dominiert das Geschwisterpaar Gunter, dieser wird von Clemens Unterreiner sehr kultiviert gesungen aber ziemlich überzogen dargestellt und von der Regie als völliges Weichei gezeichnet, und Gutrune, die stimmgewaltig von Regine Hangler interpretiert wird. Hagen selbst wird wiederum als Marionette seines Vaters Alberich gezeigt. Jochen Schmeckenbecher verleiht ihm ein besonders prägnantes Profil.
Herausragend hört man auch Szilvia Vörös als ungemein präsente Waltraute. Die drei Nornen mit Monika Bohinec, Szilvia Vörös und Regine Hangler und die drei Rheintöchter mit Ileana Tonca als Woglinde, Isabel Signoret als Wellgunde und Stephanie Maitland als Flosshilde singen alle auf Staatsopernniveau, ihre entbehrlichen Badekappen und Trockenschwimmübungen zwischen den Booten sind leider immer noch zu erleben. Untadelig, kräftig und durchsichtig singt auch der Chor des Hauses, der von Thomas Lang wieder verlässlich einstudiert wurde.
Sven-Eric Bechtolfdie „Götterdämmerung“ von Richard Wagner an der Wiener Staatsoper aus 2008, sie soll 2026/2027 durch eine Neuinszenierung abgelöst werden, wirkt immer noch recht bieder. Der deutsche Regisseur hat nicht auch nur den kleinsten Versuch einer Deutung der endzeitlichen Tetralogie unternommen. Seine Inszenierung ist ziemlich statisch. In dem hässlichen, grauen Einheitsraum von Rolf Glittenberg mit zeitweiliger grüner Hintergrundverglasung, einer Baumschule von kleinen Tannen statt des Walkürenfelsens, mit eckigen Säulen und einem Schneckensofa in den Halle der Gibichungen sowie Booten bei der Jagd in seltsam anmutenden Kostümen von Marianne Glittenberg konzentriert sich Bechtolf lieber auch die Führung der einzelnen Protagonisten und rückt dabei Hagen in den absoluten Mittelpunkt.
Dr. Helmut Christian Mayer
02. Juli 2025 | Drucken
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