Venedig - „Les Contes Hoffmann“: Ein Bösewicht zum Fürchten in einer aktionsreichen Traumwelt

Xl_hoffmann-venedig_-_michele_crosera-11-23-2 © Michele Crosera

Schon sein allererstes Erscheinen lässt einen Erschauern. Auch sonst ist er die dominante Erscheinung bei Jacques Offenbachs „Les Contes Hoffmann“, der diesjährigen Eröffnungsproduktion am wunderbaren Teatro La Fenice in Venedig. Denn Alex Esposito ist ein ungemein bühnenpräsenter, dämonischer Bösewicht mit dunklem, kraftstrotzendem Organ, der auch darstellerisch mit Gesten und Mimik zum Fürchten ist. Aber auch die anderen Sänger sind überwiegend erste Sahne: In der Titelrolle agiert Ivan Ayon Rivas zuerst als heruntergekommener, langhaariger Dichter, dann als Schüler mit kurzen Hosen, dann als Liebhaber, der mit allen Spitzentöne ungefährdet aufwarten kann, jedoch zum Finale etwas schneidend klingt. Mit Paola Gardina ist eine leichtstimmige Muse, die auch sonst immer wieder über die Bühne trippelt und wie eine Fee aus Walt Disney aus ihrer glänzenden Tasche grünen Feenstaub verteilt.  Deswegen gibt es für Niklausse mit Giuseppina Bridelli diesmal eine zusätzliche gute Sängerin, die wie ein bunter Vogel ausstaffiert ist. Rocio Pérez ist eine koloraturensichere und auch darstellerisch beeindruckende Olympia. Carmela Remigio als Antonia verfügt über einen runden, kraftvollen Sopran und singt mit großer Innigkeit. Véronique Gens ist eine ideale Giulietta. Von den vielen kleineren, durchwegs gut besetzten Partien gefallen noch Didier Peri (Frantz, Chochenille, Pitichinaccio) und Francois Piolino (Spalanzani, Nathanael) und Francesco Milanese (Crespel, Luther) sowie der bewegungsmäßig stark geforderte Chor des Teatro La Fenice.

Reiche emotionale Stimmungen kommen auch aus dem Orchestergraben: Da wartet Frédéric Chaslin beim Orchester des Teatro La Fenice mit viel Gespür für Feinheiten und Detailzeichnung aber auch packenden Momenten auf. Gewählt wurde hier bei der unvollendet gebliebenen einzigen Oper des französischen Komponisten die kritische Fassung von Fritz Oeser, leider ohne „Spiegelarie“.

Viel Ballett ist auf der Bühne, nicht nur liebliche Figuren und bunte Vögel, sondern auch drei unheimliche Teufel, ein Stelzengeher, Niklausse schleppt immer einen Papagei mit: Mit extrem vitalen Aktionen ohne Stillstand und übersprudelnden Ideen schöpft Damiano Michieletto wieder einmal aus dem Vollen und zeigt den Plot höchst gelungen in einem modernen, geschmackvollen Ambiente (Bühne: Paolo Fantin, Kostüme: Carla Teti), wo auch immer mit Licht und Schatten gespielt wird. Der Olympia-Akt spielt in einem Klassenzimmer mit Spalanzani als gestrengen Lehrer und einem riesigen, beobachtenden Auge. Etwas nüchterner ist der Antonia Akt, die sich außerhalb des Krankenbettes nur mit Krücken bewegen kann. Frantz wird hier witzig als Ballettlehrer für entzückend tanzende, ganz junge Mädchen gezeigt. In einem sehr eleganten Bordell inklusive einer eleganten Gesellschaft agiert die Kurtisane Giulietta. Insgesamt eine poesie- und stimmungsvolle sowie lebendige Traumwelt!

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

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