Thomas´ Oper „Hamlet“ in Maribor/Marburg: Thrillerartige, kalte Gruftatmosphäre

Xl_hamlet-marburg-5-25-2 © Oper Maribor

Eigentlich ist es völlig unverständlich, warum die Oper „Hamlet“von Ambroise Thomas nur so selten auf den Spielplänen der Opernhäuser steht. Denn die schwarze Operntragödie, für die nur entfernt William Shakespeares Drama als Vorlage diente und von den Librettisten Michel Carré und Jules Barbier 1868 radikal umgeschrieben wurde, beinhaltet alles, was es für ein packendes Musikdrama braucht: Eine thrillerartige Handlung mit einem Melancholiker, einer durch unerfüllte Liebe wahnsinnig werdende Jungfrau sowie einem Geist, wie auch eingängige, wunderbare Melodik und packende musikalische Dramatik.

Und sie wirkt umso mehr, wenn sie so phänomenal umgesetzt wird, wie jetzt am Opernhaus in Maribor/Marburg, in der zweitgrößten Stadt Sloweniens: Der Brite Charles Rice prägt den Titelhelden mit einzigartiger, selbstquälerischer Visualisierung des aus den Fugen geratenen Gemütszustandes und ebensolcher Stimmgewalt. Er weiß alle nur erdenklichen Facetten seines Baritons auszuloten. Ihm zur Seite ebenbürtig: Valentina Čuden als zerbrechliche, mädchenhafte Ophélie, grandios in ihrer endlos dauernden Wahnsinnsszene, mit atemberaubenden, sicheren Koloraturen und intensivem Ausdruck. Stimmgewaltig und mit profunder Tiefe:  Luka Ortar als Brudermörder und Thronräuber Claudius. Als seine Geliebte und dann Königin Gertrude hört man Irena Petkova ausdrucksstark. Nur aus dem Off erklingt unheimlich donnernd verstärkt der schwarze Bass von Sebastijan Čelofiga als Geist von Hamlets Vater. Weiters gefallen Martin Susnik als Laertes mit höhensicherem Tenor, wie auch die kleineren Rollen sowie der homogene Chor des Opernhauses Maribor.

Die in Wien geborene, slowenische Dirigentin Mojca Lavrenčič am Pult vermag fein abschattiert von kaum hörbaren Piani bis zu spannungsgeladenen und wuchtigen Momenten ihre musikalischen Wünsche dem bestens disponierten Orchester der Marburger Oper zu vermitteln. Dieses konnte auch mit vielen Soli, darunter dem damals erstmalig eingesetzten Saxophon glänzen.

Der belgische Regisseur Frank van Laecke füllt die Katakomben des Wahns mit ausgefeilten Gesten, ideenreicher Personenführung sowie vielen symbolhaften Details und schafft so eine thrillerartige Gruftatmosphäre. In einem grauen, schmucklosen Raum in kaltes Weißlicht getaucht, haust Hamlet auf einer Matratze umgeben von Schnapsflaschen und lässt immer wieder die Asche seines Vaters aus dessen Urne durch seine Finger rieseln. Nach Öffnen der hinteren Wand wird ein schräger Raum für die Massenszenen sichtbar. Nachdem Hamlet seinen Vatermörder erstochen hat, schneidet er sich zum Entsetzen aller zum Finale die Kehle durch.

Stehende Ovationen!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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