Theater an der Wien: Gottfried von Einem "Der Besuch der alten Dame" - Geld regiert die Welt

Xl_besuch_der_alten_dame-wien-3-18-1 © Werner Kmetitsch

Geld regiert die Welt

Wien: Anlässlich des 100. Geburtstages von Gottfried von Einem zeigt das Theater an der Wien den „Besuch der alten Dame“

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Für die Avantgardisten galt Gottfried von Einem als verstaubter, rückwärtsgewandter Komponist. Beim Publikum hingegen wurden seine Werke immer große Erfolge. Er verleugnete nie die Tonalität und trotzdem wusste er immer wieder klanglich zu überraschen. Denn seine Klangsprache ist soghaft, pochend, komplex mit spannenden Akzenten durchsetzt. So auch bei seiner 1971 uraufgeführten Oper „Der Besuch der Alten Dame“, die jetzt als Hommage an seinen heurigen 100. Geburtstag im Theater an der Wien zur Aufführung gelangt. Die Wiener Staatsoper folgt übrigens in Kürze mit „Dantons Tod“, mit einer Oper, mit der der 1996 verstorbene Komponist seinen Durchbruch feierte.

Dieses Zeitdrama wirkt naturgemäß noch stärker, wenn seine Sogwirkung so zum Ausdruck kommt, wie beim ORF-Radiosymphonieorchester Wien unter Michael Boder, einem ausgesprochenen Spezialisten fürs „modernere“ Repertoire: Fein ausbalanciert, kultiviert, differenziert, nie vordergründig, auch dynamisch an die Dimension des doch eher kleineren Theaters an der Wien angepasst, was auch der Textverständlichkeit der Protagonisten zugutekommt:

Und diese sind für alle Partien ideal besetzt: Katarina Karnéus verbindet in der sehr fordernden Partie der Claire Zachanassian mit etwas herbem Timbre und allen Spitzentönen, Verbitterung mit Charme und Belustigung. Ihr zur Seite steht der Kanadier Russell Braun, ihr ehemaliger Geliebter Alfred Ill. Er singt die Partei akzentfrei, kraftvoll und markant. Er hat sie einst, als sie schwanger wurde, wegen einer reichen Kaufmannstochter verstoßen. Jetzt kehrt Claire als superreiche Frau zurück und will sich für die ihr widerfahrene Ungerechtigkeit rächen. Sie bietet dem dahinsiechenden, heruntergekommenen, verarmten Heimatdorf Güllen, wo es kaum noch Arbeit gibt, eine Spende von einer Milliarde, wenn jemand Ill tötet. Zuerst wird das Angebot von den Einwohnern als unmoralisch abgelehnt. Das in Aussicht gestellte Geld korrumpiert die Einwohner jedoch zusehends, man kauft eifrig auf Pump ein, leistet sich immer mehr Luxus und alles führt zum erwarteten, fatalen Ende.

Und alle machen mit: So auch der zynische und besserwisserische Lehrer, der von Adrian Eröd mit seinem Prachtbariton gesungen wird. Und der aufgeblasene Bürgermeister, den Raymond Very sehr eindringlich mit allen Spitzentönen und viel Groteske gestaltet. Wie auch sogar Markus Butter als kettenrauchender und mit kräftigem Bariton singender Pfarrer. Und auch der Arzt, der von Martin Achrainer ideal verkörpert wird. Martin Köfler gibt den ebenfalls mitmachenden, gewaltbereiten Polizisten. Cornelia Horak ist die genusssüchtig aufgedonnerte Frau von Ill. Mark Milhofer ist der großartig gezeichnete, unheimliche Butler Boby der Milliardärin, der auch ständig ihren schwarzen Panther an der Leine hält, mit scharfen Charaktertenor und dämonischer Ausstrahlung. Bewährt schauspielerisch und gesanglich wie immer top: der Arnold Schoenberg Chor.

Grau und eintönig gekleidet sind anfänglich nicht nur die Einwohner von Güllen, in dieser Farbe sieht man auch die Häuser des Kaffs und Züge die als Kartonagen herunterhängen. Kein Schnellzug hält hier mehr regulär bis die Milliardärin, die die Notbremse gezogen hat, hier am Bahnhof in grellem, gelben Kostüm, wie eine artifizielle, schrille Hexe mit Arm- und Beinprothesen, aussteigt. Im Schlepptau hat sie ihren unheimlichen Butler wie auch einen schwarzen Panther, diesen Spitznamen hat sie einst ihrem Geliebten gegeben hat.

Nach ihrem unmoralischen Angebot ändert sich nun die Farbsymbolik, immer mehr Farbtupfer dominieren die Bühne, zum Ende ist sie schließlich im schrillen Grellbunt, je mehr sich auch die Meinung der Bevölkerung und ihr immer mehr steigender Konsumwahn ändert. Auch modernisiert sich das Ambiente immer mehr (Ausstattung: David Fielding). Keith Warners Bilder sind kurzweilig, seine Analogie schlüssig. Er erzählt die bitterböse, beklemmende Parabel über die Gier und die korrumpierende Macht des Geldes des großen Schweizer Dramatikers Friedrich Dürrenmatt, der auch das Libretto selbst verfasste, detailliert, ideenreich, packend und eindrucksvoll.

Fazit: Zeitgemäßes Musiktheater vom Feinsten, das unter die Haut geht und vom Publikum bejubelt wurde.

Helmut Christian Mayer

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