Salzburg: Sciarrinos "Macbeth" als schwarze, leise Tragödie

Xl_macbeth-sciarrino-c_marco-borrelli-salzburg-7-25-1 © Marco Borelli

Unwillkürlich fallen einem William Shakespeare und Giuseppe Verdi ein, wenn man an „Macbeth" denkt. Diese musikalisch sehr erfolgreiche Produktion dieses beliebten, aber auch eines der schwärzesten Musikdramen (Uraufführung 1847 in Florenz) der Literatur aus dem Vorjahr wird bei den heurigen Salzburger Festspielen auch wiederaufgenommen. Und so zeugte es doch von großem Mut, wenn sich etwa 150 Jahre später der Komponist Salvatore Sciarrino (1947 in Palermo geb.,), der zu einem der bedeutendsten und am meisten aufgeführten Operntonschöpfern der Moderne zählt, erneut auf das Drama von Shakespeare einlässt und auch das Libretto selbst verfasste. Er hält sich dabei stark an den Text des Urhebers, komprimierte diesen deutlich und erzählt die Geschichte auf unverbrauchte, ganz neue Weise. Jetzt ist das 2002 in Schwetzingen uraufgeführte Musikdrama im Rahmen der „Ouverture spirituelle“ der Salzburger Festspiele in der ausverkauften Kollegienkirche zu erleben. Es geht hierbei um Mord im Allgemeinen, wobei der Kampfplatz nicht das Schlachtfeld oder die Mordkammer ist, sondern das Innere der beiden Hauptfiguren. Besiegt werden sie nicht durch äußere Feinde, sondern durch ihr Gewissen.

Musikalisch ist die Oper das pure Gegenteil zu Verdis dramatischer Wucht, denn es setzt auf größtmögliche Reduktion, auf die leisen und sparsamen Register, auf den intimen Kammerton. Zu hören ist postserielle Klangästhetik, die sich von den erstarrten Denkmustern abwandte. Das Orchester flirrt, jammert und weint und erzeugt ein lautmalerisches Klanggemälde, die einzelnen Stimmungen wiedergebend. Es ist ein Teppich aus leisen bis zum vierfachen Piano, insistierenden, x-fach sich wiederholenden Motiven, Anblasgeräuschen, Haltetönen, bloßen Geräuschen aber auch harten Akzenten des Schlagzeugs, auch kurze Zitate von Mozart („Don Giovanni“) oder Verdi („Un ballo di maschera“) sind zu hören. Manchmal jedoch, wenn etwa die Lady dem Wahnsinn verfällt oder zum Finale, werden die Sequenzen zu langatmig ausgewälzt. Die komplexe Partitur wird vom zweigeteilten Klangforum Wien, einem auf zeitgenössische Musik spezialisiertes Enesemble, das teils auch unsichtbar hinter einer Barriere sitzt, unter dem präzisen Dirigenten Vimbayi Kaziboni hochkonzentriert und gekonnt musiziert.

Wie schon bei der Uraufführung und auch danach mehrfach ist der Bariton Otto Katzameier, diesmal kurzfristig eingesprungen, wieder in der Titelrolle zu erleben. Er singt einen intensiven Macbeth mit einer großen stimmlichen Bandbreite. Erschütternd sind jene Szenen, mit denen er seine Angstzustände zu bewältigen versucht. Alice Rossi ist eine sehr flexible Lady Macbeth. Die kleineren Partien sind ideal besetzt, mit Leonardo Cortellazzi (Banquo/Geist), Davide Giangregorio (Duncan/Macduff) sowie Iris van Wijnen (in vier Rollen). Eine Hauptrolle kommt auch dem sechsköpfigen Chor Cantando Admont (Einstudierung: Cordula Bürgi), der immer wieder Stimmgabeln benutzend, voll konzentriert und sauber singt

Heftiger Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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