Salzburg: „One Morning Turns Into an Eternity“ bemüht in Szene gesetzt aber famos musiziert

Xl_morning-stundyte-c_ruth-walz-salzburg-7-25 © Ruth Walz

Noch bevor der Musik anhebt, wird ein Leichensack hereingetragen und abgelegt. Die Frau muss den Empfang desselben bestätigen. Erst dann hebt die Musik aus Arnold Schönbergs Monodrama „Erwartung“ op. 17 an. Stacheldraht begrenzt den weitläufigen Platz. Große Steinattrappen, seltsame sich drehende, glänzende Metallstelen, die offensichtlich einen Wald symbolisieren sollen (Bühne: George Tsypin), sind mit den Frauen auf der Bühne. Pausenlos ändern sich die Lichtstimmungen. Diese Szenerie bleibt auch den restlichen Abend bei den nur wenige Minuten dauernden „Fünf Stücken für Orchester“ op. 10 von Anton Webern sowie bei Gustav Mahlers „Abschied“ aus dem „Lied von der Erde“ erhalten. Peter Sellars, ein in Salzburg oft gesehener Regie-Gast,hat diese drei Stücke unter dem Titel „One Morning Turns Into an Eternity“, als “Oper“ firmierend, zu einem Abend der Transzendenz zusammengefasst, die jetzt bei den Salzburger Festspielen in der Felsenreitschule gezeigt werden.  Laut Programmheft hat er dafür auch eine eigene, allerdings szenisch wenig erkennbare Handlung erfunden. In seiner Inhaltsangabe mutiert die Frau zur Rebellin in einem Unrechtsstaat, der Tote zum Vater ihres ungeborenen Kindes. Diese Ideen kommen auf der Bühne allerdings nicht an, zumal sie ihren Mann im Wald sucht, obwohl er schon im Leichensack vor ihr liegt. Im „Abschied“ schreitet die Frau schlicht über die Bühne, während sie die anrührende Vertonung altchinesischer Gedichte anstimmt. Die wenig erkennbare Inszenierung ist zwar durchaus stimmungsvoll bebildert und mit einigen guten Einfällen geschmückt, wenn etwa der Soloflötist sein Solo aus der obersten Reihe der Arkaden spielt.  Allerdings erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens nicht, alles wirkt irgendwie ziemlich bemüht und Dank der Kraft der Musik hätte dafür eigentlich durchaus auch eine konzertante Aufführung gereicht.

Diese ist bei den beiden Sängerinnen in den besten Händen: Ausrine Stundyte ist die famose Frau in „Erwartung“, allerdings nicht immer ganz textverständlich und teils zu leise singend.  Mit Feinsinn und tiefem, teils expressionistischem Ausdruck meistert sie ihren Sopranpart, mit einer Mischung aus Angst, Panik, Trauer und Zorn. Die junge Einspringerin Fleur Barron im „Abschied“ besitzt einen einnehmend schönen, weichen Alt. Die Wiener Philharmoniker unter dem dieses Wochenende vielbeschäftigen Dirigenten Esa-Pekka Salonen brillieren bei dem etwa nur 70-minütigen Pasticcio mit tiefem Ausdruck und speziell bei Mahler mit einer entrückenden Zartheit. Die Klage der Einsamen mit inbrünstigen Espressivo, die sich immer mehr verdichtet, ist wunderbar zu erleben.

Trotzdem: Heftiger Applaus für alle!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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