"Salome" von Richard Strauss am Grazer Opernhaus: Kalte und brutale, biblische Blutsspuren

Xl_salome-graz-11-18-1 © Werner Kmetitsch

Eine junge Frau schlägt auf einer Leinwand zu pulsierendem, elektronischen Gebrumme verzweifelt gegen eine Scheibe: Es ist Salome, die den Raum offensichtlich nicht verlassen kann. Erst dann hebt die Musik an. Videoprojektionen dominieren auch sonst die Inszenierung von Florentine Klepper, die hier am Grazer Opernhaus schon mehrfach inszeniert hat, und damit in Richard Strauss „Salome“ eine zweite Erzählebene eingezogen hat. So ist auch immer wieder eine Videokamera im Einsatz, mit der sich die Titelheldin, die sehr narzisstische aber auch als trotzige, lüsterne Kindsfrau gezeigt wird, selber filmt. In einem modernen gläsernen Loft (Martina Segna), das auf der Drehbühne von allen Seiten unterschiedliche Einblicke gewährt, wird im Heute in heutigen Gewändern Party gefeiert. Nicht besonders neu und nicht besonders originell (siehe letzte Produktionen am Landestheater Linz und Stadttheater Klagenfurt). Leicht angezogene Frauen werden sexistisch begrapscht. Immer wieder kommt es zu Gewaltakten. Es sind gestörte und Verstörte, die hier agieren. Es geht um Perversionen und Macht. Johannan wird von oben kopfüber von Bodyguards über eine Treppe heruntergezerrt und ständig mit Pistolen in Schach gehalten. Herodes in giftgrünem Anzug wirkt wie ein Gangsterboss. Der Schleiertanz findet nicht statt, stattdessen sieht man in Projektionen eine Mischung von Fieberträumen, sexuellen und auch inzestuösen Obsessionen wie auch  Fantasien und Rückblenden. Zum Finale wird Salome nicht nur der Kopf sondern der gesamte, blutverschmierte und aufgerissene Körper serviert, auf den sie sich dann mit einem Linnen bedeckt, wälzt.

Die Regie hat sicher einige Meriten in den Details besonders bei Salome, wenn sie etwa dem von den Bodyguards gefesselten Johanaan, ihren Lippenstift auf sein Gesicht schmiert und diesen dann zögerlich selbst für sich verwendet. Oder wenn sie vor dem Tanz viel Wein trinkt und sich damit anschüttet. Insgesamt wird man aber von den überreichen, optischen Eindrücken und der brutalen, blutigen Bilderfolge dieses biblischen Stoffes zwar beeindruckt aber nicht wirklich berührt!

Johanni Von Oostrum als Salome ist eine Klasse für sich: Sie kann sowohl mit fein nuancierten, einschmeichelnden Tönen in den Piani aber auch in ihren diffizilen dramatischen Ausbrüchen punkten. Sie kann die trotzige wie auch laszive Kindsfrau glaubwürdig verkörpern. Manuel von Senden ist ein blasierter, eingebildeter Bandenboss mit ausdruckstarker, wortdeutlichster Artikulation und zwischen Ängsten, Eidestreue und Ekel. Aber die Spannung zwischen ihm und Salome fehlt. Iris Vermillion ist eine dominant-grelle Herodias. Thomas Gazheli ist hier ein hektischer und verzweifelter, am Abgrund stehender Eiferer. Die Interaktion zwischen ihm und Salome zwischen Faszination und Ekel bleibt unterbelichtet. Leider neigt er Vokalverfärbungen und Unverständlichkeit. Zudem setzt er seinen Bariton ziemlich undifferenziert und derb ein. Pavel Petrov ist ein schönstimmiger Narraboth. Sehr gut besetzt sind auch die vielen kleinen Rollen.

Die Chefdirigentin Oksana Lyniv steht am selben Pult, an dem am 16. Mai 1906 der Komponist selbst die österreichische Erstaufführung seiner dritten Oper leitete, da die Zensurbehörde des kaiserlichen Hofes eine Aufführung in Wien zu verhindern wusste, mit Hinweis auf „Darstellungen, die in das Gebiet der Sexualpathologie gehören“. Sie setzt bei den Grazer Philharmonikern auf breite Tempi, die teils sogar in Schwerfällige kippen.  Wie wohl viele farbenreichen Fassetten, Emotionen, effektvolle Steigerungen und schneidende Klänge immer wieder aus dem Graben auffahren, werden die letzten Spannungsmöglichkeiten nicht voll ausgekostet.

Viel Applaus!

Helmut Christian Mayer

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