Puccinis „Il Trittico“ in Wiesbaden: Mit veristischer Schärfe und praller Komödiantik

Xl_trittico-wiesbaden-5-21-1 © Karl und Monika Forster

Obwohl von höchst unterschiedlichem Charakter werden die drei Operneinakter immer wieder gern mit den Sätzen einer Symphonie verglichen. „Il tabarro“ als leidenschaftliches, stürmisches Allegro, „Suor Angelica“ als bleiches, schwermütiges Andante und „Gianni Schicchi“ als Feuerwerk eines heiteren Finales. Gemeinsame Aufführungen der drei Opern von Giacomo Puccini, die unter dem Titel „Il Trittico“ gemeinsam 1918 in New York uraufgeführt wurden, sind heute, vor allem im deutschsprachigen Raum, sehr selten geworden. Am häufigsten wird „Gianni Schicchi“ kombiniert mit einem anderen Einakter gezeigt. Umso erfreulicher, dass nun das Hessische Staatstheater Wiesbaden die drei, höchst unterschiedlichen Einakter, die der italienische Opernmeister zu einem Abend zusammengefasst hat, jetzt zumindest Corona-bedingt im Stream vor leerem Haus zeigt.

Uwe Eric Laufenberg hat die Figuren scharf und mit Genauigkeit gezeichnet. Mit veristischer Schärfe zeigt der deutsche Regisseur und Intendant des Hauses bei „Il tabarro“ das Elendsmilieu der Seine-Fischer in düsteren, naturalistischen Bildern eines Hafens mit einem angedeuteten Schiff samt Ladung und Kran. Bei „Suor Angelica“ führt er in einem spartanischen Raum mit nur minimalistischer Kulisse und schwarzen, verschiebbaren Seitenelementen gekonnt, ein besonders tristes Klostermilieu nur in Schwarz-Weiß Tönen mit einer unerbittlich strengen Äbtissin vor. Einzige Freude der Nonnen ist die Fontäne eines Brunnens und ein leibhaftiger Esel.Dramatisch dominiert der Auftritt der hartherzigen Fürstin, die Angelica letztlich unter den Tisch treibt und sich auf diesen hinaufsteigt.  Unter die Haut geht der Selbstmord der Titelheldin.  Etwas grenzwertig zum Kitsch hin wirkt das große Kreuz mit dem herabgestiegenen Jesus und dem Kind von Angelica. Bei „Gianni Schicchi“reüssiert Laufenberg mit praller, grotesker Komik, ohne dabei allzu sehr in den Klamauk abzugleiten, in einem altertümlichen Salon samt Riesenbett und passenden Kostümen (Bühne: Gisbert Jäkel, Kostüme: Jessica Starge).

Sängerstar des Abends bei den Damen ist Olesya Golovneva. Mit fein schattierten Nuancen, betörenden Piani, leuchtender Höhe und intensiver, vielseitiger Rollengestaltung singt sie alle drei Sopranpartien: Bei der Giorgetta vermag sie ihre starken zerrissenen Gefühle zwischen den beiden Männern Michele und Luigi gekonnt darzustellen. Sie reüssiert aber auch als verängstigte Nonne Angelica wie auch als verliebte, junge Lauretta in „Gianni Schicchi“. Als solche singt sie den einzigen Hit des letzten Einakters „Il mio babbino caro“ herrlich gefühlvoll.  Als unerbittliche Gegenspielerin in „Suor Angelica“ ist die eindringliche, furchterregende Romina Boscolo als Zia Principessa als Fürstin zu erleben. Wie ausgewechselt ist sie auch als Frugola und als dominante Zita zu bewundern.

Bei den Herren dominiert Daniel Luis de Vicente als wuchtiger Michele mit machtvoll, dunklem Bariton. Er singt den betrogenen Ehemann mit beeindruckender, dunkler Intensität. Besonders brutal bringt er seinen liegenden Nebenbuhler mit dem Knie um. Das lässt an die USA erinnern. Seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit kann er dann als pfiffiger Gianni Schicchi mit ungemeiner Bühnenpräsenz, vom satten Bariton bis zum näselnden Falsett singend beweisen. Bei ihm sitzt jeder Ton und jede Geste. Herrlich komisch ist, wie im Bett mit einem Schal und einer Kappe des florentinischen Fußballclubs liegt. Ioan Hotea zeigt als Rinucccio einen schönen, lyrischen Tenor. Auch der Tenor von „Il tabarro“ Aaron Cawley gefällt als Luigi mit wunderbarer Höhe. Ebenso in den vielen kleineren Partien und beim Chor des Hauses (Chordirektor: Albert Horne) wird exzellent gesungen. In „Suor Angelica“ dürfen viele Chorsängerinnen kleinere Solopartien tadellos singend übernehmen.

Ein Klasse für sich ist Alexander Joel am Pult des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden: Er trifft genau den Puls- und Tonfall von Puccinis subtiler und farbiger Musik. Es ist purer Genuss, zu erleben, wie er die schattierungs- und stimmungsreichen Details ausgewogen und subtil modelliert, wie er aufregende Spannung und plappernde Vitalität erzeugt und die Sänger durch den Abend trägt.

Dr. Helmut Christian Mayer

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