Paul Hindemiths Oper „Mathis der Maler“ als überwältigende historische Parabel auf Blu-ray Disc

Xl_mathis_der_maler-hindemith-dvd-12-21 © Werner Kmetitsch

Düsternis beherrscht die Szene. Nebelschwaden fegen über die Bühne. Diffuses erklingt aus dem Graben. Dann ein strahlender Dur-Akkord im Forte: Ein Lichtstrahl fällt auf eine riesige Hand, in der ein Nagel steckt. Dann eine weitere musikalische Steigerung: Die gesamte, rasant rotierende, gigantische Figur des Gekreuzigten mit weit ausgestreckten Armen wird sichtbar: So eindrucksvoll beginnt „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith am Theater an der Wien, eine Produktion aus 2012, die jetzt kürzlich als DVD und Blu-ray Disc bei Naxos (NBDO130V) erschienen ist. Die selten gespielte Oper, deren Uraufführung 1938 in Zürich stattfand, die vor 2012 mehr als 50 Jahre in Wien nicht mehr zu hören war, handelt von Matthias von Grünewald, einem Zeitgenossen Luthers, der als Hofmaler des Fürsterzbischofs von Mainz, in die Wirren der Bauernkriege verstrickt war.  Bekannt ist er als Schöpfer des berühmten Isenheimer Altars, der heute im elsässischen Colmar zu bewundern ist.

Mit dieser Riesenstatue, einem dominanten Eyecatcher, deren Gliedmaßen im Laufe auch zerlegt werden und von innen her rot leuchten, gelingen Keith Warner und seinem Bühnenbilder Johan Engels viele kolossale, starke und beeindruckende Bilder. Der britische Regisseur verweist auf die Religion als Konfliktauslöser und den Gegensatz zwischen Arm und Reich. Er scheut auch nicht vor drastischen Momenten und zeigt die in der Handlung vorkommende Lynchjustiz wie auch die Vergewaltigung an Adeligen sehr brutal. Er ist aber auch ein Meister des intimen Dialogs. Warner vermeidet hingegen naheliegende Anspielungen auf die Entstehungszeit der Oper in den dreißiger Jahren, in denen sie von den Nazis verboten wurde. Die Bücherverbrennungen werden eher dezent gezeigt. Punktgenau auf Handlung und Musik läuft die Inszenierung in stilisierten Kostümen (Emma Ryott) der Zeit hinaus.

Die strapaziöse Titelrolle wird von dem auf der Bühne beinahe pausenlos stehenden Wolfgang Koch mit Bravour gesungen und gespielt. Sein ausnehmend schöner Bariton verfügt auch über die notwendigen Kraftreserven dafür, seine Energie erlahmt nie. Als sehr intensiver Darsteller erweist sich Kurt Streit als Fürsterzbischof von Mainz namens Albrecht von Brandenburg, wobei immer wieder Verschleißerscheinungen in seinem Tenor hörbar sind. Von ungemeiner Präsenz und immer noch beeindruckender Stimme erlebt man den damals bereits unglaubliche 75 Jahre zählenden Franz Grundheber als Riedinger. Dessen Tochter Ursula wird von Manuela Uhl mit großer Expressivität aber manchmal etwas schrill gesungen. Sie gerät immer wieder an ihre stimmlichen Grenzen. Wunderbar heldisch klingt der Tenor von Raymond Very als Bauernführer Schwalb. Dessen Tochter Regina wird von Katerina Tretyakova mit frischem Sopran ausgestattet. Tadellos erlebt man auch die vielen kleineren Rollen und den Slowakischen Philharmonischen Chor (Einstudierung: Blanka Juranaková).

Bertrand De Billy motiviert die Wiener Symphoniker zu einer delikaten Umsetzung von packender Wucht aber auch subtiler Lyrik der klangschönen aber auch spröden Partitur.

Immer am Puls des Geschehens mit exzellenten Übersichts- und Detailaufnahmen erweist sich die Videoregie von Peter Landsmann und Paul Landsmann.

Dr. Helmut Christian Mayer

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