Packender, amerikanischer Verismo an der Volksoper Wien: Gershwins "Porgy an Bess"

Xl_porgy_and_bess-wien-2-19-1 © Barbara Pálffy

„Summertime“: Wer kennt es nicht, dieses wunderbar intime, stimmungsvolle Wiegenlied, mit dem eine Mutter ihr Baby sanft in den Schlaf singt. Von unzähligen Sängern aufgenommen zählt es sicher zu den großen Evergreens des Musiktheaters überhaupt. Und es kann Gänsehaut erzeugen, vor allem wenn es so glasklar und innig gesungen wird, wie in der Reprise von Melba Ramos als auch sonst ausdruckstarke Bess. Einen Effekt, den allerdings Rebecca Nelsen als Clara vorher nicht erzielen kann, denn ihr fehlt es bei ihrer Interpretation an Einfühlungsvermögen.

Aber dieser Song ist nur einer von vielen Hits aus „Porgy und Bess“ von George Gershwin. Diese „amerikanische Volksoper“, deren Uraufführung 1935 stattfand, handelt vom Leben der Afroamerikaner in der Catfish Row, im Hafenmilieu von Charleston um 1870. Jetzt erlebt man sie seit langer Zeit wieder einmal in einer konzertanten Aufführung an der Wiener Volksoper mit überwiegend prächtigen Stimmen: Allen voran ist Morris Robinson ein ungemein bühnenpräsenter, kraftvoller, voluminöser Porgy, der vor allem mit seinem Hit „I Got Plenty O‘ Nothing“ begeisterte. Allein seine Artikulation ist nicht die beste, wodurch er schwer verständlich ist. Melba Ramos singt die Bess mit farbenreichem Ausdruck und brillanter Höhe. Gemeinsam können sie im großen Liebesduett „Bess, You Is My Woman Now“ faszinieren und innig berühren. Ray M. Wade Jr. ist ein idealer Sporting Life. Schmierig und stets grinsend spielt er den zwielichtigen und mit Drogen dealenden Typen, seine Stimme ist durchschlagskräftig und höhensicher. Der Bösewicht Crown wird von Lester Lynch tänzelnd und zynisch grinsend mit fassettenreicher Stimme kraftvoll und brutal gesungen und dargestellt. Julia Koci gefällt als Serena mit feinem Sopran und allen Spitzentönen. Ben Connor hingegen plagt sich etwas mit der Rolle des Jake. Bonita Hyman singt die ältliche Maria ideal. Von unterschiedlicher Qualität erweisen sich die vielen, kleineren Nebenrollen, bei denen besonders Mehrzad Montazeri als Peter sehr positiv hervorsticht. Der riesige besetzte Chor und Zusatzchor der Volksoper Wien, dessen Einstudierung Thomas Böttcher besorgte, findet nach kleinen Unsicherheiten zu einem homogenen und stimmgewaltigen Singduktus. Sehr positiv kann festgestellt werden, dass trotz der angekündigten bloßen konzertanten Aufführung die Interaktion zwischen den Sänger sehr stark ist und auch gezielte Lichteffekte für Stimmung sorgen.

Die unverkitschte, eingängige Musik, ein Mischstil aus ernster Symphonik und Unterhaltungsmusik durchsetzt mit starken Elementen aus Jazz, Blues, Ragtime und Spirituals ist beim Orchester der Wiener Volksoper unter Joseph R. Olefirowcz bestens aufgehoben. Abgesehen von einigen rhythmischen Holprigkeiten wird farbig, blutvoll und stimmungsreich musiziert.

Stehende Ovationen des Publikums!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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