Packend wie ein Thriller: „Salome“ von Richard Strauss an der Wiener Volksoper

Xl_salome-wien-volksoper-9-23 © Barbara Pallfy

Es war im Jahr 1992, da wurde bei den Salzburger Festspielen Richard Strauss „Salome“ aufgeführt, und zwar in der Inszenierung von Theatermagier Luc Bondy. Christoph von Dohnány stand damals am Pult der Wiener Philharmoniker. Es sangen Catherine Malfitano in der Titelrolle und der erst 26-jährige Bryn Terfel am Beginn seiner Weltkarriere den Johanaan. Eine Traumbesetzung!

Jetzt 2023 beschenkte sich die Wiener Volksoper zum 125. Geburtstag kommenden Dezember mit einem Revival dieser legendären und großartigen Aufführung, die nach Salzburg auch in London, Brüssel und Mailand zu sehen war.

Im Gegensatz zur „Salome“, die seit Februar diesen Jahres derzeit an der Wiener Staatsoper zu sehen ist, wo Regisseur Cyril Teste von einem frühen sexuellen Missbrauch der Titelfigur durch Herodes ausgeht, zeigt die Inszenierung des 2015 verstorbenen Luc Bondy, deren szenische Einstudierung von seiner Witwe Marie-Louise Bischofsberger-Bondy besorgte, eine heruntergekommene, morbide Endzeitgesellschaft mit lauter kaputten Typen im Fin de Siècle. In den eleganten aber meist düster ausgeleuchteten Bühnenbildern des nunmehr fast 80-jährigen Erich Wonder wird in einem verstörend gezeigten Seelendrama ungemein ideen- und detailreich und vor allem spannend wie in einem Thriller agiert. Salomes Schleiertanz ist sehr originell gelöst. Die Figuren sind packend gezeichnet und agieren und singen überwiegend exzellent.

Allen voran ist Astrid Kessler ein exquisite mädchenhafte, von der Statur sehr zarte exzellente Singschauspielerin, die eine sehr kapriziöse, trotzige Salome zeigt und mit leuchtendem Sopran und viel Dramatik singt. Kräftig und schönstimmig klingt der Johanaan des hünenhaften und vor Schmutz strotzenden Finnen Tommi Hakala. Er füllt die Partie aber auch mit enormer Bühnenpräsenz aus. Mit ausdruckstarker, wortdeutlichster Artikulation erlebt man Wolfgang Ablinger Sperrhacke als zwischen Ängsten, Eidestreue, Ekel und Lüsternheit hin und hergerissener Herodes, der dieser Rolle starkes Profil gibt und diese auch schon bei der letzten Salome Produktion 2011 an der Wiener Volksoper gesungen hat. Ursula Pfitzner ist eine ungemein schick ausgestattete (Kostüme: Susanne Raschig), solide singende Herodias. Mit schönem Tenor hört man JunHo Yuo als Narraboth. Aufhorchen lässt die junge Stephanie Maitland als fein singender Page. Auch die vielen kleinen Rollen sind alle gut besetzt.

Sie alle haben immer wieder mit der Lautstärke und der auch sonst brachialen Deutung, die sogar immer wieder ins Grobe abgleitet, von Noch-Volksopern-Musikchef Omer Meir Wellber zu kämpfen. Er peitscht das Orchester der Wiener Volksoper mit extremen Gesten zu höchster Phonzahl, Härte aber auch extremer Schnelligkeit auf und lässt so viele Feinheiten der komplexen Partitur gar nicht erst aufkommen.

Riesenjubel ohne Einschränkungen für alle!

Dr. Helmut Christian Mayer

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